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Über 50 Frauentypen vor über 50 Hintergründen

■ Gesichter der Großstadt: „Urbanautinnen“ – Eine Fotoausstellung im Rathaus Kreuzberg

Manchen erscheint Berlin als häßlicher Moloch. Anderen wiederum gilt Berlin als Nonplusultra deutscher Großstädte. Berlin ist gleichermaßen faszinierend und abstoßend. Wie jede Großstadt. Aber gibt es etwas, das Berlin in eine Reihe stellt mit den Metropolen der Welt, der berühmten New Yorker Hektik beispielsweise, oder dem romantischen Pariser Flair? Eben jene Charakteristika, die eine Großstadt zur bedeutenden Metropole erheben?

„Urbanautinnen“ heißt eine Ausstellung der Fotografin Anna Neumann, die zur Zeit im Rathaus Kreuzberg zu sehen ist und eine Antwort auf diese Frage anbietet. Neumanns Zugang zum Stadtverständnis: die Porträtierung selbstbewußter Berlinerinnen. Und zwar vor einem Hintergrund, den jede der Porträtierten zuvor als charakteristischen Berlin-Ort ausgewählt hat. Einen Ort, an dem Berlin „ihr“ Berlin ist. Damit bildet die Wahlberlinerin die Stadt mit dem Blick von Frauen, die in ihr leben, ab. Sie hält ihren Blick auf die Stadt und aus der Stadt heraus fest. Die Verbindung von Porträt und Hintergrund eröffnet ihr einen Weg, eine Atmosphäre zu schaffen, die sich in der Gesamtheit der Fotografien zu einem vielschichtigen und lebendigen Stadtporträt verdichtet.

Für dieses dritte freie Fotoprojekt wählte die Laif-Fotografin, die hauptberuflich als Reisefotojournalistin für Verlage und Zeitschriften arbeitet, in eineinhalb Jahren mehr als fünfzig berufstätige Frauen aus Kultur, Wirtschaft, Politik und dem Sozialbereich aus. Prominente und Unbekannte, aus Ost und West. Dabei sind 55 Porträts ganz unterschiedlicher Frauentypen inmitten einer Vielzahl von Hintergründen – seien es die Hackeschen Höfe, der Wannsee, der Kiez in Kreuzberg oder Prenzlauer Berg, Kneipen-Interieurs, die Börse oder ein Raum im Geburtshaus Kreuzberg – entstanden. Eines ist aber beinahe allen Frauen gemeinsam: Ernst, selbstbewußt, mit direktem, herausforderndem Blick fangen sie den Betrachter ein, ziehen ihn ins Bild, ziehen ihn in den Hintergrund, in die Stadt, in ihre Stadt – eigenwillige und energiegeladene Urbanautinnen.

Auch wenn die Auswahl der Porträtierten insgesamt etwas prominentenlastig geraten ist, Anna Neumann hat eine spannende Idee gelungen umgesetzt. Mit „Urbanautinnen“ präsentiert sie ein kleines Kaleidoskop engagierter Berliner Frauen. Und mit den in verschiedenen Perspektiven und unterschiedlicher Lichtwahl gehaltenen Hintergründen zeigt Neumann zudem eine beeindruckende Schau Berliner Plätze. Gabriele Rohmann

„Urbanautinnen“, bis zum 3. Juli, Mo.–Fr. 8–18 Uhr, Rathaus Kreuzberg, Yorkstraße 4–11

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