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Hooligans müssen zu Hause bleiben

■ Ab heute müssen sich 21 als gewaltbereit bekannte Fußballfans morgens und abends bei der Polizei melden. Sonst droht Strafgeld oder Haft. Der harte Kern der Berliner Hooligan-Szene soll so an einer Reise

Aus Angst davor, daß es bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Frankreich zu neuerlichen Ausschreitungen von deutschen Hooligans kommt, hat die Polizei zu einem drastischen Mittel gegriffen: Gegen 21 Berliner Hooligans, die als besonders gewaltbereit eingestuft sind, sind Meldeauflagen verhängt worden. Das heißt: Die bei Sportveranstaltungen „wiederholt“ als Straftäter in Erscheinung getretenen jungen Männern müssen sich ab heute zweimal täglich, morgens und abends, bei ihrem zuständigen Polizeiabschnitt melden. Nach Angaben von Polizeidirektor Michael Knabe vom Führungsstab der Schutzpolizei ist so eine Maßnahme in Berlin bislang noch nie im Vorfeld von erwarteten Krawallen verhängt worden, egal ob gegen Anhänger von rechts oder von links.

Knabe zufolge hat sich die Polizei die Entscheidung nicht leichtgemacht. Nach den Ausschreitungen in Lens vor zwei Wochen sei die Rechtslage gründlich erörtert worden. Im Polizeicomputer sind 1.200 „gewaltbereite“ Berliner Hooligans gespeichert, 250 gelten als „besonders gewalttätig“. Die mit Meldeauflagen versehenen 21 Personen gehören laut Knabe „hundertprozentig zum absolut harten Kern“. Es handele sich um „Top-Rädelsführer“ mit einschlägigen Vorstrafen wegen Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung. Die meisten hätten Stadionverbot. Ohne sie sei die Masse handlungsunfähig. „Sie sind wie ein Adrenalinstoß.“

Unter den 21 Hooligans befinden sich vier Männer, die bei den Krawallen in Lens festgenommen und abgeschoben worden sind. Ein weiterer Berliner wurde wie berichtet in einem Schnellprozeß in Frankreich zu einem Jahr Haft verurteilt. Die Meldeauflagen wird die Polizei laut Knabe persönlich aushändigen. Die Mehrzahl der 21 Hooligans hat in der vergangenen Woche schon einmal Polizeibesuch bekommen. In sogenannten Gefährder-Ansprachen seien sie mit dem Hinweis „wir kennen euch“ davor gewarnt worden, nach Frankreich zu fahren. Den Fragen sei zu entnehmen gewesen, daß einige dies offenbar vorhatten.

Die Meldeauflagen begründet Knabe mit neuen Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes (BKA) und der zentralen Informationsstelle in Nordrhein-Westfalen. Es gebe Hinweise, das sich die Hooligans noch mindestens einmal sammeln wollen, um zu beweisen, daß die Deutschen „die Super-Hooligans“ seien. Ob die Auflagen über Samstag hinaus verlängert werden, hänge vom Verhalten der gewaltbereiten Fans und dem Spielergebnis der deutschen Elf gegen Kroatien in Lyon ab.

Beim Verstoß gegen die Meldeauflage drohen 500 Mark Strafe oder bis zu zwei Tagen Unterbringungsgewahrsam. Rechtsgrundlage sei das Berliner Polizeigesetz. Den Hooligans stehe es frei, dagegen zu klagen, sagte Knabe. Auch der „APO-Rädelsführer“ Rudi Dutschke habe dies 1974 versucht, als er am Flughafen Frankfurt/ Main von der Polizei an der Teilnahme an einer Demonstration gehindert worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht hielt die Festsetzung für verhältnismäßig.

Wenn die Polizei harte Fakten für die Annahme habe, daß von den 21 Hooligans eine konkrete Gefahr ausgehe, sei nichts gegen die Auflagen einzuwenden, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland. „Das ist auf jeden Fall das verhältnismäßigere Mittel, als wenn die vor dem Stadium die Keule schwingen.“ Plutonia Plarre

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