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Die UNO will keinen Streit um Massaker

Das Kongo-Untersuchungsteam der UNO legt seinen Bericht zu Massakern an ruandischen Hutu-Flüchtlingen während des zairischen Bürgerkrieges vor. Der Vorwurf des Völkermordes wird darin nicht erhoben  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Die Regierungen der Demokratischen Republik Kongo und Ruandas sind vermutlich knapp davongekommen. Zurückhaltung prägt den lange erwarteten UNO-Bericht zu Massakern an ruandischen Flüchtlingen während des zairischen Bürgerkrieges 1996/97, der am Dienstag dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt worden ist. Der Bericht, Ergebnis einer vielfach behinderten Untersuchung durch UN-Menschenrechtsexperten im Kongo, erklärt die Massaker anders als manche andere Menschenrechtsgruppe weder pauschal zum „Völkermord“, noch versucht er eine genaue Zahl der Opfer zu nennen.

Das hindert den Bericht aber nicht daran, schwere Vorwürfe mit möglichen rechtlichen Konsequenzen zu erheben. Ein wesentlicher Teil des Bürgerkriegs in Zaire bestand darin, daß die ruandischen Hutu-Flüchtlingslager im Osten des Landes zerschlagen wurden. Sie waren im Sommer 1994 entstanden, nachdem Hutu-Extremisten in Ruanda einen Völkermord an über 800.000 Tutsi begangen hatten und dann nach ihrer militärischen Niederlage gegen die heute in Ruanda herrschende Tutsi-Bewegung RPF (Ruandische Patriotische Front) ins benachbarte Zaire geflohen waren. Zu Beginn des Bürgerkrieges in Zaire 1996 griff die neue, von Tutsi dominierte ruandische Armee in Zusammenarbeit mit zairischen Tutsi-Rebellen unter Führung von Laurent Kabila diese Flüchtlingslager an, in denen sich hochgerüstete Hutu-Milizen verschanzt hatten, und löste sie auf.

Von den nach UN-Angaben 1,1 bis 1,2 Millionen Insassen dieser Lager kehrten nach und nach über 900.000 nach Ruanda zurück, die restlichen zogen ins Landesinnere, unter ihnen Milizionäre, die aus den für den Völkermord in Ruanda 1994 verantwortlichen Gruppen hervorgegangen waren. Diese in Zaire verbliebenen Flüchtlinge wurden daraufhin von Ruandas Armee und Kabilas Rebellen als Kriegspartei angesehen. Denn vielerorts waren die Hutu-Milizionäre unter ihnen die einzigen kämpfenden Truppen, die sich dem Vormarsch der Kabila-Rebellen entgegenstellten. Mehrere zehntausend Hutu- Flüchtlinge starben nach Überzeugung von Hilfsorganisationen bei Massakern oder an Krankheiten.

Der UN-Bericht versucht weniger, diese Ereignisse nachzuzeichnen, sondern er will sie in justitiable Kategorien fassen. Um von einem Völkermord sprechen zu können, so die UN-Experten, müsse eine „Intention, die in Zaire verbliebenen ruandischen Hutu zu eliminieren“, bewiesen werden. Und auch wenn dies nicht zutreffe, so der Bericht, wären gewisse Massaker an ruandischen Hutu in Zaire „wegen ihrer systematischen Natur möglicherweise ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Dann wären sie vor einem internationalen Tribunal zu behandeln.

Das UN-Team sollte im Oktober 1997 seine Arbeit beginnen, konnte aber kaum eigene Untersuchungen vor Ort durchführen. Wegen fortgesetzter Behinderungen durch die kongolesische Regierung brach es im April seine Tätigkeit ab und verließ das Land. Die Ermittler verweisen darauf, daß sie weniger als 200 Zeugenaussagen sammeln konnten, und präsentieren keine Beweise, die die These eines Völkermordes untermauern könnten. Ihre Erläuterung der Umstände, unter denen von Völkermord gesprochen werden könnte, soll vielmehr weitere Untersuchungen ermöglichen. „Unsere Untersuchung war nur ein Anfang“, sagte das Teammitglied Daniel Michael O'Donnell in New York. „Es ist sehr wichtig, daß diese Untersuchung von einer neutralen Instanz fortgesetzt wird.“

Wie zurückhaltend der UN-Bericht ist, wird deutlich, wenn man ihn mit anderen Berichten zum Thema vergleicht. Der frühere UN-Sonderberichterstatter zum ehemaligen Zaire, Roberto Garreton, hatte im April behauptet, 150.000 bis 180.000 Menschen seien während des Bürgerkrieges massakriert worden. In einem Bericht, der von einer Kommission von Menschenrechtsgruppen aus Kongo und anderen Ländern erstellt und am 25. Juni in Kanada vorgestellt wurde, wird vom Tod von über 200.000 Menschen gesprochen. „Die Kommission“, heißt es, „ist der Meinung, daß in Zaire ein Völkermord an den Hutu begangen wurde.“

Insofern kann der UN-Bericht als Deeskalation des Konflikts zwischen Kongo und dem Rest der Welt bezüglich der Menschenrechte gelesen werden. Vor allem die Vorschläge der UN-Experten sind durchaus sinnvoll: Eine weitere Untersuchung sollte die ethnischen Säuberungen im Osten Zaires während der letzten Jahre der Mobutu-Herrschaft 1993–96 sowie die Menschenrechtslage innerhalb der ruandischen Hutu-Flüchtlingslager selbst betreffen. Die UNO – ebenso wie die unabhängige Menschenrechtskommission – weist darauf hin, daß auch von Hutu-Seite massive Menschenrechtsverletzungen begangen wurden. Zudem, so fordern die UN-Experten, müsse die Beteiligung ausländischer Truppen geklärt werden und die Frage, ob es eine „Intention“ zur Auslöschung eines Teils der Hutu-Bevölkerung gegeben habe.

Die UNO will also ihre Aufmerksamkeit verlagern: vom Ablauf einzelner Massaker zur heikleren Frage der politischen Verantwortlichkeit und der Motivation. Den Regierungen in Kinshasa und Kigali entgeht die Bedeutung dieser Wendung nicht. Kongos Regierung nannte den Bericht ein „gefährliches Dokument“; die Regierung Ruandas fand den Bericht „unvollständig, parteilich und völlig irreführend“. Menschenrechtsgruppen sind anderer Meinung: „Human Rights Watch“ beispielsweise hieß den Bericht willkommen und rief die UNO dazu auf, ihre Untersuchungen fortzusetzen.

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