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Fall Weimar vor BGH

■ Der Bundesgerichtshof verhandelte über Revision. Richter erlitt eine Herzattacke

Karlsruhe (taz) – Monika Böttcher (früher Monika Weimar) muß noch einmal um ihre Freiheit zittern. In der gestrigen Revisionsverhandlung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) wurden starke Argumente gegen den im Vorjahr erfolgten Freispruch vorgebracht. Die Verhandlung muß allerdings in einigen Wochen wiederholt werden, denn der Vorsitzende Richter Burkhard Jähnke erlitt während einer Verhandlungspause eine Herzattacke und kann den Prozeß vermutlich nicht fortsetzen.

Noch immer wird Monika Böttcher vorgeworfen, im August 1986 ihre beiden fünf und sieben Jahre alten Töchter getötet zu haben. In einem Indizienprozeß war die Mutter 1988 vom Landgericht Fulda wegen zweifachen Mordes verurteilt worden. Sieben Jahre später erreichte sie eine Wiederaufnahme des Verfahrens, die im April 1997 dann zum Freispruch vor dem Landgericht Gießen führte. Doch die Staatsanwaltschaft und ihr Ex-Mann Reinhard Weimar gaben keine Ruhe und legten Revision ein. Beim Bundesgerichtshof geht es jetzt zwar nur um Rechtsfragen, Bundesanwalt Karl Wienröder griff das Urteil dabei aber in seiner ganzen Breite an. Das Gießener Landgericht habe keine „Gesamtwürdigung“ der Indizien vorgenommen, die Monika Böttcher belasten. Wienröder machte eine einfache Rechnung auf: „Die Verhandlung hat ergeben, daß entweder Monika Böttcher oder Reinhard Weimar die Töchter umgebracht haben. Wenn die Kinder am Morgen des 4. Augusts noch gelebt haben, kann nur Monika Böttcher die Täterin gewesen sein.“ Deshalb komme es darauf an, ob dem Gießener Gericht Beweise vorlagen, daß die Kinder morgens noch lebten. Diese Beweise sah Wienröder als erbracht an. So hätten mehrere glaubwürdige Zeugen die Kinder am nächsten Morgen noch lebend gesehen. Und eine Überprüfung des Mageninhalts der Mädchen habe ergeben, daß diese kurz vor ihrem Tod wohl noch gefrühstückt hatten. Verteidiger Johann Schwenn räumte ein, daß diese Indizien einen schwerwiegenden Verdacht gegen Monika Böttcher begründeten. „Aber auch ein schwerwiegender Verdacht ist nur ein Verdacht“, betonte der Anwalt. Schwenn forderte, die für Monika Böttcher günstige Beweiswürdigung des Gießener Landgerichts zu respektieren. Ihm ist klar, daß eine Aufhebung des Freispruchs durch den BGH wahrscheinlich eine Verurteilung von Böttcher in einer neuen Verhandlung nach sich ziehen würde.

Weder Monika Böttcher noch Reinhard Weimar nahmen an der gestrigen Verhandlung teil. Ob und wann das Verfahren mit einem neuen Vorsitzenden wiederholt wird, steht erst in einigen Tagen fest. Christian Rath

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