: Hinter Gittern wird neu abgerechnet
■ Verfassungsrichter: Derzeitiger Hungerlohn für Gefangene ist grundgesetzwidrig. 2001 muß eine neue Regelung gefunden sein, die zur Resozialisierung beitragen soll. Die soziale Lage der Knackis wird sich trotzdem kaum ändern
Karlsruhe (taz) – Die derzeitige Begrenzung der Löhne für Gefangene auf fünf Prozent des bundesdeutschen Durchschnittsverdienstes ist verfassungswidrig. Die Arbeit von Strafgefangenen muß „angemessen“ bezahlt werden. So entschied das Bundesverfassungsgericht gestern über die Klage von vier Gefangenen sowie des Landgerichts Potsdam. Die Knackis erhalten bislang Löhne von knapp zwei Mark pro Stunde. Derzeit arbeiten 30.000 von den 59.000 Strafgefangenen in deutschen Knästen.
Daß sie in Zukunft wirklich mehr Geld ausbezahlt bekommen, ist zu bezweifeln. Dem Gesetzgeber wurden viele Hintertürchen offengelassen. So dürfen unter anderem Haftkostenbeiträge von den erhöhten Löhnen abgezogen werden. Eine Neuregelung muß der Bundestag bis Ende des Jahres 2000 treffen. Die Kosten tragen die Länder. „Jeder zusätzliche Prozentpunkt kostet Bayern drei Millionen Mark pro Jahr“, rechnete sogleich der Münchener Justizminister Hermann Leeb (CSU) vor. Bei der Neuregelung will er das „Diktat der leeren Kassen“ berücksichtigen. Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums kündigte baldige Gespräche mit den Ländern an. Kläger-Anwalt Dominik Seitz glaubt, daß die Gesamtkosten einer Reform überschätzt werden: „Wenn die Gefangenen mehr Geld erhalten, können sie auch ihre Familien unterstützen. So spart der Staat Sozialhilfe.“
Eindeutig ist eine zweite Anordnung aus Karlsruhe. Wer außerhalb der Gefängnismauern arbeitet, soll in der Regel normalen Tariflohn erhalten. Für „echte Freigänger“ war dies schon bisher üblich, daneben gab es aber auch viele „unechte“ Freigänger, die nur die üblichen Hungerlöhne bekamen. Solche Fälle sollen ab Jahresende zur Ausnahme werden.
Eine Pflicht zur Einbeziehung der Strafgefangenen in die Rentenversicherung sahen die Richter nicht. Der Gesetzgeber könne dies beschließen, müsse es aber nicht. (Az. 2 BvL 17/94) Christian Rath
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