Nach Scheinehen ist aktiv zu fahnden

■ Was bisher nur bei Ausländerbehörden üblich war, hält jetzt auch Einzug in die Standesämter: Die Suche nach sogenannten Scheinehen

Hannover (taz) – Der 18jährige kurdische Flüchtling und seine deutsche Freundin hätte wohl auf den staatlichen Segen für ihre Beziehung verzichtet und weiter eine Ehe ohne Trauschein geführt, wenn der junge Mann nicht von Abschiebung bedroht gewesen wäre. Als die beiden jedoch beim Standesamt in Lüchow das Aufgebot bestellen und der junge Flüchtling eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Eheschließung beantragen wollte, kamen umfangreiche Prüfungen auf das inzwischen nun doch verheiratete Paar zu. Das Standesamt der Stadt Lüchow verlangte eine medizinische Untersuchung des jungen Mannes, damit dessen Ehefähigkeit ärztlich bescheinigt werden konnte. Die Ausländerbehörde des Landkreises prüfte Anfang des Jahres schon einmal vorab, ob das Paar denn auch die eheliche Lebensgemeinschaft begründen wolle. Zu diesem Zwecke es legte den beiden jungen Leuten umfangreiche Fragebögen vor.

Da wollte die Behörde wissen, ob die Partnerin oder der Partner „Kaffee oder Tee“ bevorzugte, „und wenn ja, wie? Schwarz, mit Milch und Zucker?“ Da wurde in den selbstverständlich getrennt auszufüllenden Fragebögen nach Hobbys, nach den Schwiegereltern, nach dem Lieblingsessen und der Augenfarbe des Partners gefragt und am Ende der über vierzig Fragen noch eine Wohnungsbeschreibung „Teppich, Tapete, TV, Raumgröße in qm, wie viele Zimmer?“ abverlangt.

Bisher waren es in der Bundesrepublik vor allem die Ausländerbehörden, die bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis prüften, ob ein binationales Paar in ehelicher Gemeinschaft lebte oder ob es diese mit der Heirat begründen wollte. Seit kurzen allerdings haben auch die Standesbeamten das Recht, sich für die Milch im Kaffee, die Hobbys und die Wohnungseinrichtung zu interessieren.

Am 1. Juli ist das „Eheschließungsrechtsgesetz“ in Kraft getreten, mit dem der Bundestag das ganze Eherecht wieder in das Bürgerliche Gesetzbuch zurückverlagert hat und einer Empfehlung der Europäischen Union zum Eherecht gefolgt ist. Nach dem neuen Gesetz müssen Standesbeamte die Eheschließung verweigern, wenn ihrer Auffassung nach durch die Heirat keine eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden soll. Die Gelegengenheit zum Jawort verweigern, das konnten die Standesbeamten im Prinzip zwar schon immer, wenn sie von einer sogenannten Scheinehe ausgingen. Das neue Gesetz verpflichtet sie jetzt, nach drohenden Scheinehen regelrecht zu fanden. Es verbietet den Beamten, Zweckehen zu stiften, die nicht auf die Lebensgemeinschaft ausgerichtet sind.

Wenn „offenkundig ist“, daß eine Ehe aufhebbar wäre, „muß der Standesbeamte seine Mitwirkung verweigern“, heißt es im Gesetzestext. Und aufhebbar ist nach dem neuen Gesetz eine Ehe dann, wenn „beide Ehegatten sich darüber einig waren“, daß sie keine Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft eingehen wollen. Wenn für die Aufhebbarkeit einer Ehe tatsächlich „konkrete Anhaltspunkte bestehen“, soll der Standesbeamte nun selbst nach drohenden Scheinehen fahnden können. Wie es bisher nur bei einzelnen Ausländerämtern üblich war, darf er „die Verlobten in dem hierzu erforderlichen Umfang einzeln oder gemeinsam befragen und ihnen die Beibringung geeigneter Nachweise aufgeben“.

Ein Fragebogen, wie ihn das Ausländeramt des Landkreises von binationalen Paaren getrennt ausfüllen läßt, wird damit ausdrücklich erlaubt. Notfalls können Standesbeamte jetzt „auch eine eidesstattliche Versicherung über Tatsachen verlangen, die über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Aufhebungsgründen von Bedeutung sind“. Dieses Ausforschungsrecht der Standesbeamten war im übrigen im ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht enthalten und fand erst in den Beratungen im Rechtsausschuß Eingang in das neue Eheschließungsrecht. Jürgen Voges