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Provokante Flintenweiber

Die Gruppe „Tarantula“ holt die Foto-Ausstellung „Mein Feind“ nach Hamburg  ■ Von Ulrike Winkelmann

Sie heißen weder Thelma noch Louise und sehen auch nicht aus wie Lara Croft, aber sie tragen Waffen und haben deshalb schon für eine Menge Aufregung gesorgt: Die Frauen, die Bettina Flitner mit Spielzeuggeräten in den Händen porträtiert hat.

„Haben Sie einen Feind? Und wenn ja, was würden Sie mit ihm tun, wenn Sie es ungestraft dürften?“ Diese beiden Fragen stellte die Emma-Hausfotografin Flitner Kölner und Berliner Passantinnen, ließ sie passend zur Antwort eine Plastikwaffe auswählen und zog ihre Fotos auf zwei Meter hohe Tafeln. Als Ausstellung namens „Mein Feind“ wandern die Rächerinnen seit 1992 durch die Einkaufszonen der Bundesrepublik. Ab kommenden Freitag werden sie die Ottenser Hauptstraße vorm „Mercado“ bewachen.

„Ob und welche Frauennormen immer noch existieren, werden wir an dieser Ausstellung merken“, sagt Sabine Stövesand, eine der Hamburger Organisatorinnen. In Köln, wo die Reihe der Flinten-, Krummdolch- und Hellebardenweiber über dem Altar der Antoniterkirche endete, ermittelte prompt die Staatsanwaltschaft wegen „Volksverhetzung“. Auch anderswo mochte das Fußvolk die Bilder nicht dulden: „Wo immer die Ausstellung hinkam, gab es Verbotsversuche“, sagt Mit-Organisatorin Stefanie Schoenknecht. „Weibliche Aggression ist nach wie vor ein gesellschaftliches Tabu“, ihre Darstellung wird jenseits von Film und Comic als Provokation empfunden. Ob dies auch im indifferent-heidnischen Hamburg so sein wird, bleibt abzuwarten.

Zum Auftakt der Ausstellung jedenfalls „gibt's Rabatz“, kündigt Schoenknecht an. Stövesand und Schoenknecht von der Gruppe „Tarantula“ haben zusammen mit anderen Frauen eine „dem Thema Gegenwehr angemessene Aktion“ geplant –, nein, Näheres werde nicht verraten. Eine Woche lang willTarantula“ dann mit Informationen über „Gewalt gegen Frauen“ vor Ort präsent sein.

Tarantula hieß bis vor einem Jahr „Frauen gegen Männergewalt in St. Pauli“ und hat sich ihrem ursprünglichen Titel gewidmet. „Das Thema in die Öffentlichkeit holen“ sei Ziel der Gruppe, erklärt Stövesand, die ebenso wie Schoenknecht im St. Paulianer Stadtteilzentrum GWA arbeitet. Ihre Traumvorstellung ist ein „Klimaumschwung im Viertel“ – und natürlich anderswo: „Wo Gewalt geschieht, sollen die Frauen bleiben können und die Typen gehen. Bislang ist das regelmäßig umgekehrt.“

Auf den jüngsten Plakaten von Tarantula, die in St. Pauli geleimt wurden, ist der Gewaltbegriff weit gefaßt: An den Eiern kratzen und anglotzen ist dabei. „Die Plakate wurden in unglaublichem Tempo beschmiert, beschädigt und abgerissen“, sagt Stövesand. Das habe bewiesen, daß sich noch „Irritationen“ auslösen ließen, wenn vermeintliche Privatangelegenheiten angeprangert würden.

Doch zur Öffentlichkeit gehören nicht nur die Irritierbaren, sondern auch die notwendigen Mitstreiterinnen. Von ersteren mag es genug geben, an letzteren mangelt es bei Tarantula wie überall, denn daß Geschlechterverhältnisse politisch sind, gilt in aufgeklärten Kreisen als Erkenntnis mit Ladenhüterwert. „Nur weil's alt ist, ist es noch nicht falsch“, sagt Schoenknecht patzig, „die Gesellschaft wird ja nicht besser, und Gewalt verschwindet nicht“, weil das engagierte Spektrum mittlerweile andere Interessen hat.

„Dennoch müssen sich auch für Inhalte aus den siebziger und achtziger Jahren zeitgemäße Formen finden lassen“, hält Stövesand dagegen. Wenn praktischer Feminismus als Opfer- und Jammerthema mithin als „sowas von unhip“ gelte, müsse man ihm eben einen anderen Dreh geben. Die Ausstellung sei dazu eine Möglichkeit: „Sie ist künstlerisch, sie ist extrem, und sie löst bei vielen Frauen dieses gewisse, versonnene Lächeln aus“ – und eben darum gehe es doch.

„Mein Feind“: 17. bis 24. Juli, 12 bis 19 Uhr, Ottenser Hauptstraße; Eröffnung mit Musik und Kunst, 17. Juli gegen 14 Uhr. Fast die komplette Serie findet sich in Bettina Flitners neuestem Fotoband: „Mitten ins Herz“, Ed. Braus, 49,80 Mark.

Tarantula ist zu erreichen unter 319 36 23.

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