■ Deutsch-britischer Streit um Kohlesubventionen: Blairs Eierkohlen
Wer innenpolitisch unter Druck steht, versucht gern außenpolitisch abzulenken. Projektion heißt dies im menschlichen Miteinander, Taktik in der Politik. Der britische Premierminister Tony Blair hat sich nun in die deutschen Eierkohlen verbissen und projiziert die Auseinandersetzungen zwischen seiner Regierung und der britischen Kohleindustrie auf die deutsche Kohlepolitik. In diesen Tagen sitzen nämlich Vertreter der Labour-Regierung mit Energieversorgern zusammen, um über die Möglichkeiten für billigeren Strom aus britischen Steckdosen zu verhandeln. Um zehn Prozent will Blair die Strompreise kürzen. Das Ziel, sagen die wenigen verbliebenen Kohleförderer, könne erreicht werden, wenn die billige britische Kohle weiter privilegiert verstromt wird. Sie bekommen nach den Kahlschlägen von Margaret Thatcher keine direkten Subventionen des Staates mehr – im Gegensatz zu den europäischen Konkurrenzländern Deutschland und Spanien. Die britischen Kohleunternehmen erhalten aber eine Vielzahl indirekter Beihilfen. Die wichtigste sicherte ihnen bis zu diesem Frühjahr die Verstromung ihrer Kohle zu einem Preis, der deutlich über Weltmarktniveau lag. Branchenkenner schätzen, daß diese Absicherung allein 2,5 Milliarden Mark indirekte staatliche Hilfe einbrachte.
Auf der anderen Seite stehen jedoch die privatisierten britischen Energieversorger und Erdgasunternehmen, die in den vergangenen Jahren leicht an Genehmigungen für neue Gaskraftwerke gekommen sind. Und das, sagen wieder die Kohlekumpel, könne so nicht weitergehen. Sie drängen die Regierung daher, einen Plan zu erlassen, der den Bau von weiteren Gaskraftwerken einschränkt. Denn wenn es so weitergeht, wird in 20 Jahren 75 Prozent des britischen Stroms aus Gas gewonnen werden.
Mit deutschen Eierkohlen hat das alles nichts zu tun. Aber die billigen Kraut-Kohlen passen in die britische Wahrnehmung unseriöser deutscher Subventionspolitik. Bei Wettbewerbskommissar Karel van Miert stoßen die Briten auf offene Ohren. Deutschland steht bei ihm nach den Subventionsbetrügereien beim Bremer Vulkan oder den Schiebereien beim Autokonzern VW auf der Liste der Buhmänner. Und daß ein EU-Kommissar wachsam die fragwürdige deutsche Subventionspolitik beäugt, beruhigt durchaus. Im Falle der Eierkohlen jedoch geht es der britischen Regierung darum, einen grundsätzlichen Abbau von Kohlesubventionen zu erreichen und die Verstromungskohle auf dem Weltmarkt anzubieten. Ulrike Fokken
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