piwik no script img

Gregor Gysi ist (k)ein Stasi-Spitzel

■ Der Bundestag darf den PDS-Abgeordneten einen Stasi-Spitzel nennen, urteilt das Bundesverfassungsgericht. Jedermann darf ihn nicht Stasi-Spitzel nennen, meint Gysi, denn das Gericht ließ sich auf inhaltliche Klärung nicht ein

Karlsruhe (taz) – Der Bundestag darf Gregor Gysi als Stasi-Mitarbeiter bezeichnen. Dies entschied gestern das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und lehnte eine Klage des PDS-Abgeordneten ab. Ob der Vorwurf des Bundestags jedoch inhaltlich richtig ist, ließ der Zweite Senat unter Jutta Limbach ausdrücklich offen. Gysi will nun eine Klärung der Anschuldigungen durch ein anwaltliches Ehrengericht in Berlin erreichen.

Mit den Stimmen von Union, SPD und Bündnisgrünen hatte der Bundestag im Mai entschieden: Eine inoffizielle Stasi- Tätigkeit von Gregor Gysi sei „erwiesen“. In einem 50seitigen Bericht wurde dargelegt, daß Gysi als Anwalt von DDR-Oppositionellen mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet habe. Gysi stritt Stasi-Kontakte weiterhin rundweg ab und klagte in Karlsruhe gegen die Verletzung seiner Abgeordnetenrechte.

Ohne Erfolg: Gysi habe keinen Anspruch auf die inhaltliche Überprüfung des Bundestagsberichts, so das gestrige Urteil. Es gehe hier um eine „parlamentarische Untersuchung, die nicht in die Rechtsordnung hineinwirkt, sondern im politischen Raum verharrt“. Das Verfassungsgericht dürfe sich deshalb nicht an die Stelle des Bundestags setzen.

Gysi zeigte sich enttäuscht: „Vor zwei Jahren hat Karlsruhe noch Anforderungen an den Bericht gestellt, und jetzt will es die Einhaltung dieser Anforderungen nicht überprüfen.“ 1996 hatte das Gericht erklärt, daß dem Bundestag „bloße Mutmaßungen“ verwehrt seien. Dagegen sah der SPD-Politiker Dieter Wiefelspütz in der gestrigen Entscheidung eine „Bestätigung“ des Bonner Verdikts. PDS-Chef Bisky zeigte sich solidarisch. Trotz dieses Urteils habe Gysi aber die „volle Solidarität der PDS und darüber hinaus vieler Demokraten in Ost, aber auch in West“.

Eine weiterer Klagepunkt Gysis wurde nur mit vier zu vier Richterstimmen abgelehnt. Dabei ging es um die Schlußsätze des Bundestagsberichts, in denen es hieß, Gysis „Ziel“ sei es gewesen, „die politische Ordnung der DDR vor seinen Mandanten zu schützen“. Mit dieser Aussage habe der Bundestag, so der PDS-Politiker, seine Kompetenz überschritten. Immerhin vier RichterInnen inklusive Jutta Limbach sahen das genauso: Die Stasi-Überprüfung der Abgeordneten habe sich auf die Feststellung von Tatsachen zu beschränken und Wertungen „der Öffentlichkeit“ zu überlassen, so Limbach und Kollegen.

Vier andere RichterInnen legten den Auftrag des Bundestags dagegen weiter aus. Das Parlament habe durchaus „feststellen“ dürfen, ob Gysi bei seinen Stasi- Kontakten Mandanten geschützt oder verraten habe. Trotz Stimmengleichheit konnte Gysi auch in diesem Punkt in Karlsruhe nicht durchdringen: Bei einem Patt gilt eine Beschwerde als abgelehnt.

Gysi kündigte an, daß er weiterhin gerichtlich gegen alle vorgehen werde, die die „Tatsachenbehauptung“ aufstellten, er sei Stasi-Spitzel gewesen. „Das hat bisher noch kein Gericht festgestellt“, sagte Gysi und kündigte an, er werde selbst ein anwaltliches Ehrenverfahren beim Kammergericht Berlin einleiten. Würde dort ein Verrat von ehemaligen Mandanten festgestellt, könnte dies bis zum Ausschluß aus der Rechtsanwaltschaft führen. Anfang Juli hatte es der Berliner Justizsenator abgelehnt, Gysi die Anwaltszulassung zu entziehen (Az.: 2 BvE 2/98). Christian Rath

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen