Lübecker Abhöraktion vor BGH

■ Der Bundesgerichtshof verhandelte über die Revision im Verfahren gegen Safwan Eid. Dabei geht es auch um die Frage, ob in dem Besucherraum eines Gefängnisses abgehört werden darf

Karlsruhe (taz) – „Ein Nazi gesteht und keiner glaubt's.“ Mit diesem Transparent demonstrierten gestern Mitglieder des „Lübecker Bündnis gegen Rassismus“ vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Im Verhandlungssaal selbst ging es zwar um den Anschlag gegen das Lübecker Asylbewerberheim. Das kürzlich im Spiegel erneuerte und wenig später widerrufene Geständnis des ostdeutschen Jugendlichen Mike W., er habe mit seinen Freunden das Heim angezündet, spielte dort aber keine Rolle.

Verhandelt wird nämlich gegen den damaligen Heimbewohner Safwan Eid. Der Libanese war 1997 zwar vom Lübecker Landgericht aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden. Mehrere Mitglieder der Familie El-Omari, ebenfalls Libanesen, hatten jedoch als Nebenkläger Revision beantragt. Sie hatten im Heim gewohnt und bei dem Anschlag im Januar 1996 ihren 17jährigen Sohn und Bruder verloren. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits kurz nach dem Freispruch auf eine Revision verzichtet.

Konkret ging es in Karlsruhe um die Frage, ob das Landgericht mehrere Abhörprotokolle als Beweismittel ablehnen durfte. Sie waren entstanden, als Safwan Eid bei Verwandtenbesuchen in der Haftanstalt abgehört worden war. Das Landgericht wertete die Polizeimaßnahme (die noch vor Einführung des Großen Lauschangriffs stattgefunden hatte) als unzulässig. Weil ein Untersuchungshäftling keine andere Möglichkeit habe, ungestört mit seinen Verwandten zu sprechen, sei auch das Besuchszimmer der Haftanstalt als „Wohnung“ anzusehen und für Abhörmaßnahmen tabu. Bisher ist diese Frage noch nicht höchstrichterlich entschieden. Vor zwei Jahren hatte allerdings das Verfassungsgericht erklärt, die Zelle eines Häftlings sei nicht als Wohnung geschützt, weil der Gefangene kein Hausrecht habe. Hier hakte Wolfgang Clausen, der Anwalt der Nebenkläger ein: „Wenn schon die Zelle keine Wohnung ist, dann ist es das Besuchszimmer erst recht nicht.“

Die Verteidigung hatte sich dagegen eine kunstvolle Konstruktion überlegt. „Wenn ein Gefangener mit seinem Besuch reden kann, ohne daß im Besuchszimmer jemand dabei sitzt“, führte Anwalt Reinhold Schlothauer aus, „dann sagt der Staat eine Vertraulichkeit zu, die er nicht durch eine heimliche Lauschaktion wieder brechen darf.“ Der Vorsitzenden Richter Klaus reagierte skeptisch. „Wollen Sie damit sagen, der Besuchsraum ist einmal Wohnung und dann wieder nicht“, fragte er verwundert, „je nachdem, wer sich gerade drin aufhält?“

Aber selbst dann, wenn der Lübecker Ausschluß der Abhörprotokolle als fehlerhaft angesehen wird, führt dies nicht automatisch zur Wiederholung des Prozesses. Die Revision kann nur dann Erfolg haben, wenn das Urteil auf diesem Fehler „beruht“. Bundesanwalt Gerhard Altvater empfahl dem BGH jedenfalls, die Revision abzulehnen: „Der Beweiswert dieser Protokolle ist so schwach, daß ein anderes Urteil ausgeschlossen werden kann.“

Anhand mehrerer Beispiele zeigte er die „Mehrdeutigkeit“ der Unterhaltungen zwischen Eid und seinen Verwandten auf. So soll Eid laut Protokoll gesagt haben, „wenn er den Koran lese, erkenne er seine Fehler“. Das Bundeskriminalamt (BKA) sah darin ein Schuldeingeständnis. Im Gesprächszusammenhang könne „Fehler“ aber auch anders gewertet werden, betonte Altvater. Tatsächlich war die Übersetzung der in arabischer Sprache geführten Gespräche umstritten. Ein Gutachter der Verteidigung hatte etwas ganz anderes verstanden als das BKA. Für Nebenklage-Anwalt Clausen ist das kein Problem: „Solche Detailfragen können ja in einer neuen Verhandlung aufgeklärt werden. Jetzt geht es darum, daß die Abhörprotokolle überhaupt in den Prozeß eingeführt werden.“ Das Urteil wird morgen erwartet. Christian Rath