: Mensch, Mücke, Kuh Von Thomas Gsella
Alle Menschen, die insoweit Umgang mit der Lehre des Buddhismus pflegen, daß sie ein, zwei Suren rezitieren können, sind bekanntlich aufgerufen, ihr Verhältnis zum Phänomen der Schöpfung allgemein, besonders aber zum speziellen des moskitos aggressivos (Mücke) neu zu überdenken.
Es sind, Gemeinplatz, nichts weniger als Mitwesen, Kollegen auf dem Erdengrund; ums Ganze kleiner als wie du und ich, aber: Kollegen. Totkloppen, überkommener Reflex westlich instrumenteller Vernunft, soll und darf man da besser nicht. Was aber dann? Nachts zum Beispiel? Wenn unser Körper schlafen will, indes der des moskitos ganz im Gegenteil in Fahrt und Stimmung kommt und nichts anderes im Sinne führt, als seinerseits Kollegen nicht zu respektieren, sondern auszusaugen? Eine Schweinerei ist das und klares mobbing inter species – andererseits: sind Mücken kinderliebe Säugetiere, und auf jedes Elternteil, das einen Menschen anzapft, kommen im üblichen Normalfall bis zu 24 moskititos (Mückchen), unsichtbare Babys, die in einem mikroskopisch kleinen und sehr liebevoll gebauten Strohnest in der Schlafraumecke hängen und, kaum ist der Mensch im Bett, nach ihren Eltern schreien: „Papa, Mama, Zeit für's Abendblut!“ (Statt wie bei uns: Abendbrot).
Jagen muß es, muß den Rüssel möglichst häufig in uns stecken und die komplette Beute nachher selbstlos in die hungrig hochgereckten moskitito-Rüssel laufen lassen. Empfindsame Seelen, die ja oft nicht schlafen können und darin geübt sind, ihre Ohren für den Zauber dieser Welt zu öffnen, hören hier und da ein winzig kleines Schleckern: „Mmh, heute gibt es Gruppe B“ – das sind die Mückchen. Ach, ist es nicht romantisch? Zieht des Lebens Wunder uns nicht immerfort in seinen Bann? Und kann man da denn wirklich mit der Klatsche druff?
Eben. Einziger Ausweg: Man muß die Elternmücken – ohnmächtig schlagen und dann zum Ausgleich in die nahe gelegene Nachtbar transportieren. Das geht folgendermaßen: Man zielt mit einer handelsüblichen Plastikfliegenklatsche zwar schon auf den Kopfbereich der Elternmücke, haut aber – nicht richtig zu! Sondern nur so mittel, gerade so, daß unser Mitgeschöpf belemmert auf die Erde trudelt. Dann aufheben, in ein Marmeladenglas mit Deckelluftloch schütten, die anderen Elternteile auch ohnmächtig kloppen, dazutun, ab in die Nachtbar. Hier Deckel öffnen, unauffällig zahlen, wieder nach Hause gehen, schlafen. Die moskitos saugen jetzt die eh betäubten Nachtbargäste aus, zu Hause verhungern die eh unsichtbaren moskititos, und alles ist in „Butter“.
Wer diese Barbarei nicht aushält, zieht aus der Wohnung aus und sucht sich eine neue. Aber Vorsicht! In Essen gibt es gegenwärtig eine Wohnungseigentümerin, die per Zeitungsannonce ein „kinderloses Paar“ sucht, und wenn eine kinderlose Frau sich meldet und auf Nachfrage ihr Alter mit 31 angibt, dann liest die Eigentümerin einen offenbar gut einstudierten Text ab. Der aber lautet stets: „Unverschämtheit! Warum rufen Sie eigentlich an?! Sie können sich ja noch von jedem Opa schwängern lassen!“ Dies Wesen scheint nicht sonders glücklich. Ob's das schlimme Wimmern all der moskititos war, das ihr einst schneeweiches Herz so härtete?
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