Eine „schrecklich nette Familie“

■ Hat Wiesmoor beim Umzug nach Bremerhaven nachgeholfen? Jetzt wird Bremerhaven die schwierige Familie nicht mehr los

Bremerhaven wird die ungeliebte Familie M. einfach nicht los. Noch immer schlägt sich Oberbürgermeister Manfred Richter mit den angeblichen Libanesen herum. Geht es nach ihm, wäre die zehnköpfige Familie längst in die Türkei verfrachtet.

Doch dabei gibt es gleich zwei Haken. In den sicheren Drittstaat, aus dem die M.'s eingereist sind, kann man sie nicht mehr zurückschicken. Zum größten Leidwesen in diesem Fall existiert die DDR nicht mehr. Zum anderen gesellt sich zu Körperverletzung, Dealerei, Einbrüchen, Waffenbesitz und anderen Straftaten jetzt offenbar auch noch Dokumentenfälschung. Die angeblich libanesische Familie M. besitzt offensichtlich falsche Pässe. „Die Dokumente sind eindeutig nachgemacht“, sagt Richter. Nach seinen Angaben kann die Stadt inzwischen nachweisen, daß die „schrecklich nette Familie“, so Richter, aus der Türkei, und nicht aus dem Libanon, kommt. Allerdings hapert es mit der Abschiebung, weil sich die Türkei querstellt .

Aus diesem Grund versuchen die Bremerhavener Behörden jetzt, die Identität der Familie eindeutig zu klären, um den Fall endlich loszuwerden. Laut Richter stammen die Eltern mit ihren acht Kindern aus einem türkischen Dorf nahe der syrischen Grenze. Das behauptet zumindest eine angebliche Schwester der Familienmutter. Aber das türkische Konsulat lehnt jede Mithilfe ab. Jetzt sind die deutschen Diplomaten vor Ort eingeschaltet.

Abgesehen von der Familie selbst, hat Richter eine Stinkwut auf die Gemeinde Wiesmoor. Dort waren die M.'s zuerst angesiedelt und hatten ihr Unwesen getrieben. Nachweislich haben die Söhne Mitschüler erpreßt, Kaninchen von Nachbarn geköpft, Rentnern die Taschen entrissen und sind in Geschäfte eingebrochen. Da sie noch nicht strafmündig waren, konnte die Polizei nur tatenlos zusehen. Lediglich ein 17jähriger Sohn saß zwischenzeitlich in Haft.

Tatenlos zusehen wollte die Gemeinde aber dennoch nicht – beim Umzug der Familie nach Bremerhaven wurde offenbar geholfen. Deshalb ist auch Bremerhavens Oberbürgermeister jetzt so schlecht auf seine Kollegen in Wiesmoor zu sprechen. „Wir können jetzt mit einem mitgeschnittenen Interview eines Wiesmoorer Beamten gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk nachweisen, daß die Gemeinde aktiv an dem Umzug der angeblich libanesischen Familie beteiligt war. Die haben das Problem einfach zu uns abgeschoben.“

Dennoch: Auch das Interview als angebliches Beweismittel wird wohl nichts nutzen. Die Wiesmoorer bemühen alle Erklärungsansätze, um sich die Familie M. vom Leib zu halten. Jens Brooksiek, stellvertretender Gemeindedirektor, sagte jetzt gegenüber der taz: „Die Entscheidung der Familie war freiwillig. Die haben sich die Wohnung in Bremerhaven selbst gesucht. Wir haben dann nur beim eigentlichen Umzug geholfen.“

Dazu Bremerhavens Stadtchef Richter: „In Wiesmoor war man doch einfach nur froh, die Familie loszusein.“ Ändern kann Richter daran jetzt aber auch nichts mehr. Da die Familie einen vorläufigen Aufenthaltsstatus für ganz Deutschland hat, kann er sie nicht einfach jenseits der Stadtgrenze absetzen. Zumal der Vater der ungeliebten Sippe derzeit in Bremerhaven wegen Drogenbesitzes im Knast sitzt. Jens Tittmann