■ Auschwitz: Die polnische Kirche versagt beim Streit um die Kreuze: Die Christanisierung der Shoah
Der Streit um das acht Meter hohe Holzkreuz vor dem ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz hat die katholische Kirche Polens in eine prekäre Lage gebracht. Für Gegner wie Befürworter von christlichen Symbolen auf dem größten jüdischen Friedhof der Welt wirkt die früher so unerschrockene Kirche Polens plötzlich feige. Sein Monaten drückt sie sich um jede Entscheidung. Genau diese Angst, Verantwortung vor den Gläubigen zu übernehmen, hat nun den Streit um das „Papstkreuz“ eskalieren lassen. Nicht einmal den Hungerstreik des Antisemiten Kazimierz Switons zur Verteidigung des Kreuzes in Auschwitz hat die Kirche verdammt. Seit knapp zwei Wochen pilgern nun Ultrakatholiken nach Auschwitz und stellen rund um das „Papstkreuz“ weitere „Zeichen des Glaubens“ auf.
Bischof Tadeusz Rakoszy, in dessen Diözese die Gemeinde Oswiecim/Auschwitz liegt, steckt den Kopf in den Sand: „Ich reagiere nicht“, sagt er, „da die Situation außer Kontrolle geraten ist.“ Er könne nicht einschätzen, wer hinter der Aktion stehe und wozu sie gut sein solle. Verbieten könne er das Kreuzaufstellen auch nicht, da ohnehin niemand auf ein solches Verbot hören würde. Der Bischof sieht im Moment nur eine Lösung: „Ich bete, auf daß sich der Wille Gottes erfülle.“ Schon einmal hat die katholische Kirche Polens in einem Streit um Auschwitz kläglich versagt. Im Mai 1989 hatten Karmeliterinnen das „alte Theater“ auf dem ehemaligen Lagergelände gekauft. In dem Gebäude, das heute außerhalb der Gedenkstätte steht, hatten die Nationalsozialisten Zyklon B gelagert, das Gas, mit dem sie über eine Million Juden in Auschwitz-Birkenau umbrachten. Die polnischen Nonnen errichteten hier ein Kloster und beteten für die Opfer des Holocaust. Juden in aller Welt protestierten gegen die „Christianisierung der Shoah“.
Die katholische Kirche Polens verteidigte zunächst das Kloster, da in Auschwitz schließlich auch über 100.000 Polen umgebracht worden seien. Nach jahrelangem Streit war es ein Machtwort des Papstes, das dafür sorgte, daß die Nonnen 1993 in ein anderes Kloster umzogen. Allerdings – das mittlerweile von Verteidigern des Klosters illegal dort aufgestellte Kreuz nahmen sie nicht mit. Und wieder läßt es die katholische Kirche Polens zu einer Eskalation kommen. Statt den Gläubigen zu erklären, daß das Kreuz nach christlichem Verständnis ein Zeichen der Liebe ist und niemanden verletzen sollte, überläßt sie feige das Feld den Radikalen. Jetzt wird wieder der Papst ein Machtwort sprechen müssen. Gabriele Lesser
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