Blauweiße Grüne im Wahlkampf

Die Berliner Bündnisgrünen wollen nicht nur nicht die Fußball-Bundesliga abschaffen. Manche freuen sich sogar auf Hertha BSC – was den innerparteilichen Konsens arg strapaziert  ■ Von Uwe Rada

Wenigstens in der Hauptstadt zeigen sich die Bündnisgrünen volksnah. Während andernorts tourismus- und Formel-1-politische SprecherInnen die grüne Knute auspacken, glänzen die Spreegrünen mit eitel Lebensfreude. „Entgegen anderslautenden Gerüchten“, schrieben gestern die grüne Spitzenkandidatin für den Bundestag, Andrea Fischer, und der Sprecher des Berliner Landesverbands, Andreas Schulze, in einer Depesche an die Medien, „gibt es bei Bündnis 90/Die Grünen keinerlei Planungen, im Falle eines Wahlsieges die Fußball-Bundesliga zu verbieten.“

Mehr noch: Mit großer Vorfreude, so lassen uns Fischer („Unser Fischer heißt Andrea“) und Schulze wissen, sehe man dem Start der Bundesliga entgegen. Vor allem nach dem bedrückenden Auftritt „unserer Nationalmannschaft“ sei es um so wichtiger, „daß uns die Polster, Roy, Tschami, Thiam & Co. mit ihrem Können entschädigen“.

Doch auch die Berliner Grünen wären keine Grünen, wenn sie nicht auch diesmal wieder den Wahlkampfbogen überspannt hätten. Der Grund: In der Erklärung des Tandems Fischer/Schulze heißt es abschließend: „Der Berliner Landesverband präferiert naturgemäß Hertha BSC.“

Die Kritik aus den eigenen Reihen folgte gestern spielenden Fußes. „Ich bin für den FC Union“, empörte sich die ehemalige sportpolitische Sprecherin Judith Demba. Und Alice Ströver schwärmt nach wie vor für den FC Freiburg. Darüber hinaus haben Recherchen ergeben, daß auch an Schulzes Arbeitsplatz ein großes Plakat des FC Union hängt. Wahlkampfzeit ist Fettnäpfchenzeit?

Schulze selbst räumte gestern ein, daß ihm Hertha in der vergangenen Zeit fremd gewesen und er zweitens bei Union sogar Mitglied sei. Nun habe er sich aber eines Besseren besonnen. Vor ihm taten das bereits Abgeordnete wie Burkhard Müller-Schoenau oder Jürgen Wachsmuth, die im Olympiastadion bereits ebenso Sitzfleisch bewiesen haben wie im Preußischen Landtag.

Fraktionssprecherin Marie Luise Dittmar wollte dem „Fußballkrieg“ gestern allerdings keinen großen Stellenwert beimessen. Dafür eint die Grünen, Hertha hin, Hertha her, viel zu sehr die Liebe zur schönsten Nebensache der Welt. Jeden Freitag tippen 15 von 30 Abgeordneten für fünf Mark beim „Igel-Toto“ mit. Zwei Mark pro Wette gehen an Projekte oder Vereine wie zuletzt den alevitischen BFC Alspor. Und wenn Fischer und Schulze wegen ihres Hertha-Vorstoßes ins innerparteiliche Abseits geraten sollten, so Dittmar, „machen wir eben eine Mitgliederbefragung“.