: Kinderarmut stark angestiegen
■ Überproportional viele Kinder und Jugendliche in Deutschland müssen von Sozialhilfe leben, stellt ein Kommissionsbericht fest, den die Bundesregierung erst im September veröffentlicht
Erfurt (dpa) – Die Altersarmut der 60er Jahre in der Bundesrepublik ist von einer Armut junger Menschen im vereinten Deutschland abgelöst worden. Das geht aus dem bislang unveröffentlichten zehnten Kinder- und Jugendbericht für die Bundesregierung hervor, der der Deutschen Presseagentur vorliegt. Es sei ein gesellschaftspolitischer Skandal, daß der materielle Spielraum von Familien in den 80er und 90er Jahren durch die Reformen des Einkommens- und Steuersystems eingeengt statt erweitert wurde, heißt es in der Studie einer Sachverständigenkommission. Dabei sind Kinder, die mit einem alleinerziehenden Elternteil aufwachsen, viermal so oft von Armut betroffen wie Kinder in vollständigen Familien. Die Kommission fordert einen Ausgleich der Kinderkosten zwischen Menschen mit und ohne Kindern.
Der Bericht kritisiert insbesondere, daß Familien nicht nur wegen Unfähigkeit der Eltern, durch Kankheiten oder ökonomische Krisen in Not geraten können. Unter den gegenwärtigen Bedingungen des Familienlastenausgleichs könnten Familien mit geringen und selbst mittleren Einkommen bei zwei und mehr Kindern deutlich unter die Armutsgrenze abrutschen.
Die Bundesregierung will den Bericht Anfang September veröffentlichen. Bundesfamilienministerin Claudia Nolte (CDU) war zuletzt vorgeworfen worden, die Studie zurückzuhalten.
Überproportional gestiegen sei der Anteil der Sozialhilfeempfänger bei Kindern und Jugendlichen. Der Anteil der bis 17jährigen in Westdeutschland, die Hilfen zum Lebensunterhalt erhielten, stieg danach von 1963 bis 1992 von 1,7 auf 8,7 Prozent. Im Osten wuchs der Anteil der Kinder, die Sozialhilfe beziehen, von 1,2 Prozent im Jahr 1990 auf 3,6 Prozent im Jahr 1994. Bezogen auf ein gesamtdeutsches Durchschnittseinkommen registrierten die Experten für 1995 einen Anteil armer Kinder von 21,9 Prozent in Ost- und 11,8 Prozent in Westdeutschland.
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