: Die Blutspur der „wahren IRA“
Die „Real IRA“, eine Abspaltung der IRA, lehnt den Nordirland-Friedensprozeß ab. Auch eine Reihe IRA-Bombenexperten haben sich der RIRA angeschlossen ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck
IRA, CIRA, RIRA – die Terminologie im nordirischen Konflikt ist verwirrend. Es gilt als sicher, daß die „Real IRA“ (RIRA), die „wahre IRA“, hinter dem Anschlag von Omagh steckt, bei dem am Samstag mindestens 28 Menschen getötet worden sind. Die Organisation besteht aus ehemaligen Mitgliedern der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), die sich aus Protest gegen den Waffenstillstand im vergangenen Herbst abgespalten haben. Seitdem gab es eine stetige Abwanderung, die RIRA hat zur Zeit rund 150 Mitglieder, darunter zwei hochkarätige Bombenexperten: den früheren Waffenmeister der IRA, der die meisten Waffenverstecke kennt, sowie den erfahrensten Sprengstofftechniker, ein Mann aus West-Dublin. Außerdem soll im Juli auch der Verantwortliche für den Brighton- Anschlag übergelaufen sein, bei dem 1983 die damalige britische Premierministerin Margaret Thatcher und ihr Kabinett nur knapp dem Tod entgingen.
Am stärksten war der IRA- Aderlaß in der Republik Irland, wo die meisten jungen IRA-Mitglieder übergewechselt sind. Hinzu kommt, daß die RIRA offenbar mit der „Continuity IRA“ (CIRA), die sich beim ersten IRA- Waffenstillstand vor vier Jahren abgespalten hat, sowie mit der Irish National Liberation Army (INLA), einer Splittergruppe aus den siebziger Jahren, zusammengetan hat. Alle drei Organisationen werfen Sinn Féin, dem politischen Flügel der IRA, Verrat am Ziel eines vereinigten Irland vor. Darin sind sie sich mit dem „32- County Sovereignty Committee“ einig, einer Abspaltung von Sinn Féin unter Führung von Bernadette Sands-McKevitt, der Schwester des 1981 im Hungerstreik gestorbenen Bobby Sands. Wie eng das Komitee mit der RIRA verbunden ist, weiß man nicht genau.
Die Katastrophe von Omagh kam nicht unerwartet. Die RIRA hat im vergangenen halben Jahr bereits fünf Autobomben in den Zentren nordirischer Kleinstädte gelegt. Daß dabei niemand getötet wurde, ist Zufall. Bombenleger kalkulieren Erfolg oder Mißerfolg nach einer einfachen Rechnung: Gibt man eine zu lange Warnung, wird die Bombe möglicherweise entschärft. Ist die Warnung zu kurz oder zu ungenau – siehe Samstag. Der Begriff „ri-rá“ bedeutet im Gälischen ausgerechnet „Lustbarkeit, Geschrei, Durcheinander“.
Eine ganze Reihe von Aktionen der RIRA sind in der Vergangenheit von der Polizei in Großbritannien und Nordirland vereitelt worden. In Dundalk und Monaghan wurden Bomben sichergestellt, in Howth und Dun Laoghaire, zwei Dubliner Vororten, fand die Polizei Sprengstoff, und bei einem versuchten Raubüberfall auf einen Geldtransporter im Südosten Irlands wurde das RIRA-Mitglied Ronan Mac Lochlainn erschossen.
Es gilt als sicher, daß die Polizei einen Informanten in die Organisation geschleust hatte. Dieses „kleine Problem“ habe man in den Griff bekommen, erklärten RIRA-Mitglieder vor wenigen Wochen. Wahrscheinlich hat die Organisation ihren internen Apparat neu aufgebaut und sich in Zellen organisiert, die nur die notwendigsten Informationen erhalten. Der Anschlag von Omagh war wohl nicht die letzte Aktion der RIRA. Kommentar Seite 12
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