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■ Politikerinnen jeder Couleur haben sich zusammengeschlossen und wollen Pornokonsumenten und -konsumentinnen ins Gefängnis bringenKrawallschachteln united

Auch das noch: Elf Jahre nach ihrem gescheiterten Versuch, Pornographie mittels Schadensersatzklagemöglichkeiten aus ihrer kleinen Welt zu verbannen, hat Alice Schwarzer ihre PorNo-Kampagne wieder ausgegraben. Mitgebuddelt hat diesmal aber nicht nur die langjährige Weggefährtin Rita Süssmuth (CDU), mitgebuddelt haben auch Abgeordnete aus allen Bundestagsfraktionen.

Zusammengeschlossen im „Frauenbündnis“, fordern nun auch Christine Bergmann (SPD), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Andrea Fischer (Bündnisgrüne), Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD), Irmgard Karwatzki (CDU) und Ursula Männle (CSU) eine „juristische Neudefinition von Pornographie“ – und zwar in den Grenzen von 1987. „Pornographie ist die verharmlosende, verführerische oder verherrlichende, in jedem Fall aber deutlich erniedrigende sexuelle Darstellung in Text oder Bild von Kindern oder Frauen [...]“, heißt es in einer am vergangenen Freitag verbreiteten Erklärung des Frauenbündnisses, genau wie zu Zeiten der PorNo-Initiative, wo allerdings noch von Mädchen statt Kindern die Rede war.

Die unheilige Allianz, zu der sich Feministinnen und stockwertekonservative Moralisten in den USA gelegentlich zusammenfanden, bahnt sich mit diesem Papier auch hierzulande an. Dabei förderte diese Zusammenarbeit dort eine Stimmung, die Zensur salonfähig machte und zum faktischen Verbot von Ausstellungen eines Fotografen wie Robert Mapplethorpe führte.

So etwas scheint nun auch in Deutschland anzustehen. Auch hier arbeitet die Phalanx mit einer nachgerade wahnsinnigen Logik, verknüpft mit krudem Zahlenmaterial und dubiosen wissenschaftlichen Beweisen. Denn ganz gleich – hier soll vor allem die gute Absicht zählen: „Wir sind entschlossen, mit unserem Kampf gegen Pornographie und Sexualgewalt zu einer menschlicheren Gesellschaft beizutragen.“

So behauptet das Frauenbündnis, der Pornokonsum habe die Zahl der Sexualstraftaten ansteigen lassen, obwohl ebendiese Zahlen stagnieren. „Pornographie ist sexualisierter Haß“, befindet das Frauenbündnis, sei also „Kinderhaß und Frauenhaß“ und damit „Volksverhetzung“. Und nicht genug damit: „Schon der Besitz von Pornographie, Gewaltpornographie mit Frauen und Kinderpornographie muß international verboten, verfolgt und bestraft werden.“ Zu bedenken ist jedoch, daß extrem gewalttätige Pornographie nur einen äußerst geringen Marktanteil hat.

Im Blick der Kämpferinnen gegen das pornographische Übel verschwimmen die Unterschiede. Da im Pornopapier auch erwähnt wird, daß „zwei von drei jungen Männern heute regelmäßig pornographische Medien frequentieren“ – Zahlen über Frauen, die pornographisches Material nutzen, liegen nicht vor –, drohen uns einsame Zeiten, wenn Pornokonsumenten und -konsumentinnen demnächst in überfüllten Gefängnissen sitzen.

Ein Jahrzehnt Bedenkzeit hat offenbar nichts genützt. Die „juristische Neudefinition“ nennt weiterhin Frauen und Kinder in einem Atemzug, als würden Frauen nie erwachsen; abermals wird versucht, Pornographie von und für Erwachsene mit schweren Sexualdelikten gleichzusetzen – ganz so, als stünden Bezug, Herstellung und Verbreitung von Kinderpornographie nicht bereits unter Strafe. Gerade den Unterzeichnerinnen des Porno-Papiers dürfte bekannt sein, daß jegliche sexuellen Kontakte, die Erwachsene – und es sind immer nur die Erwachsenen, umgekehrt gilt nicht – zu Kindern herstellen, strafbar sind; ganz gleich, ob es um eine angebliche Liebesbeziehung oder um kommerzielle Ausbeutung von Kindern für Pornos geht.

Allen naiven Vorstellungen von Pornoproduzentengewaltherrschaft zum Trotz ist es aber die selbstbestimmte Entscheidung von Frauen, ob sie in Softsexfilmen, Hardcorepornos oder sadomasochistischen Darstellungen mitwirken. Es ist auch ihre individuelle Entscheidung, ob sie das, was das bestehende Gesetz als pornographisch bezeichnet, lesen oder betrachten wollen. Nach Paragraph 184 Strafgesetzbuch sind das sexuelle Darstellungen, die „auf Erregung eines sexuellen Reizes beim Betrachter abzielen“.

Recht so, kann man da nur sagen, eine vernünftige Definition. Bloß: Was ist so schlimm daran? Außerdem, so der Gesetzestext weiter, überschreitet Pornographie die „im Einklang mit allgemein gesellschaftlichen Wertvorstellungen gezogenen Grenzen des sexuellen Anstandes“. Diese Grenzen des sexuellen Anstandes haben sich erfreulicherweise seit Inkrafttreten dieses Gesetzes verändert und tun es weiterhin. Wir können auch davon ausgehen, daß ebendeshalb von „gesellschaftlichen Wertvorstellungen“ die Rede ist – wohlweislich hat man dereinst keine genaueren Worte gewählt. Wichtig aber ist, daß Paragraph 184 StGB vor allem festlegt, wer Zugang zu pornographischem Material haben darf: Erwachsene.

Die Puritanerinnen vom Frauenbündnis wollen jedoch nicht nur die Pornographie verbieten, sondern außerdem bestimmen, was fortan „pornographisch“ genannt werden soll. Während nämlich die derzeitige Definition von Pornographie einigermaßen klar ist, wollen die neuen Hüterinnen der Moral Pornographie als „die [...] deutlich erniedrigende Darstellung von Frauen [...]“ unter Strafe stellen, und das nicht nur für Produzenten, sondern auch für Konsumenten. Was aber ist „erniedrigend“? Die Abbildung eines blanken Busens auf dem Titelbild des Sterns, gegen die Alice Schwarzer 1978 im Verein mit Inge Meysel klagte? Nackte Männer und nackte Frauen im Kamasutra? Ein japanischer Bondage-Comic? Und woran denken Sie, liebe Leserin und lieber Leser, dabei? Und wenn Sie etwas gefunden haben: Läßt Sie das auch bestimmt kalt?

„Erniedrigend“ läßt sich juristisch schlechterdings nicht erfassen, weil das, was Andrea Fischer möglicherweise abstößt, mich fasziniert; weil das, was Christine Bergmann erträglich findet, von Ihnen nicht goutiert wird – also legen Sie sich einfach kein Heftchen zu, das Frau Bergmann favorisiert. So einfach ist das.

Pornographie ist kein „sexualisierter Haß“. Pornographie ist, je nach Geschmack, ausgesprochen anregend oder abtörnend, aber was wir sehen wollen, das können wir uns selbst aussuchen. „Die Pornographie-Konsumenten von heute sind die Täter von morgen“, schreiben die Verfasserinnen. Also ich ganz bestimmt nicht. Carola Rönneburg

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