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Bei Ozon fallen Schaufel und Kelle

Bau-Gewerkschafter Wiesehügel fordert, daß Bauarbeiter bei hohen Ozonwerten nicht arbeiten müssen und Ausfallgeld bekommen. Die Berufsgenossenschaft hält das für unrealistisch, da überall andere Werte gelten  ■ Von Georg Löwisch

Berlin (taz) – Auf dem Bau bei einer Bullenhitze zu schuften ist für Gewerkschafter Klaus Wiesehügel eine Zumutung. „Bei stark erhöhten Ozonwerten wird gewarnt, draußen keine anstrengenden Arbeiten zu verrichten“, wetterte der Chef der IG Bau in der Bild-Zeitung: „Das ist natürlich für Bauarbeiter unmöglich.“ Durch neue Arbeitsschutzbestimmungen müsse die Arbeit im Freien erheblich reduziert oder eingestellt werden. Dann müßten die Arbeiter ein Ozon-Ausfallgeld bekommen wie im Winter bei Eis oder Regen das Winterausfallgeld.

Wiesehügel meint wohl vor allem Auswirkungen des Ozons auf die Lunge. Wenn das Gas in die Lunge eindringt, kann es zu einer Schädigung der Zellmembram und so zu entzündlichen Prozessen kommen. Die Beeinträchtigungen steigen je nachdem, wie hoch die Ozonkonzentration ist und wieviel Luft ein- und ausgeatmet wird. Deswegen raten Mediziner davon ab, sich bei hohen Ozonwerten anzustrengen. Gleichzeitig entstehen bei der Ozonbildung Nebenprodukte, die die Schleimhäute in Rachen, Nase und Augen reizen können. Daß sich Ozon auf die Lungenfunktion auswirkt, bestätigt auch Ulrich Ranft, Professor am Düsseldorfer Institut für Umwelthygiene, das bereits mehrfach die Auswirkung von Ozon auf Gärtner während der Arbeit untersuchte. Dabei hätten sich allerdings nur Beeinträchtigungen gezeigt, die nicht zu bleibenden Schäden geführt hätten. Es gebe „keine eindeutigen Indizien“, daß es bei der Arbeit im Freien durch Ozon zu chronischen Schäden kommen könne. Da zudem die Ozonwerte nachmittags am höchsten sind – zu einer Zeit, in der auf dem Bau meist gar nicht mehr gearbeitet werde –, hält Ranft den Vorschlag von Gewerkschafter Wiesehügel für „übertrieben“.

Der Mediziner Giso Schmeißer von der Berufsgenossenschaftlichen Zentrale für Sicherheit und Gesundheit hält es für „definitiv falsch“, Gefährdungen durch Ozon pauschal zu betrachten. Denn je nachdem, wo genau gearbeitet werde, könnten sich Meßwerte dramatisch reduzieren. So könnten im Führerhaus eines Baggers, in Rohbauten oder auch nur bei geringfügigen Luftbewegungen die Ozonwerte weniger stark sein als etwa bei Straßenbauarbeiten. Die Werte von Meßstationen könnten deshalb nicht einfach auf jeden Arbeitsplatz übertragen werden. „Sie müßten auf jeder Baustelle messen“, sagt Schmeißer. Daß sich aber jede Firma ein Meßgerät zulege, sei unrealistisch.

IG-Bau-Chef Wiesehügel ist auch dafür, die Arbeitsschutzverordnung zu ändern. Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin gelten für Gefährdungen durch Ozon derzeit Beschlüsse eines Länderausschusses. Der geht von einem Grenzwert von 180 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft aus. Ist der überschritten, soll „schwere körperliche Arbeit“ möglichst in die Morgenstunden und auf den Vormittag gelegt werden. Das Arbeitstempo soll außerdem gedrosselt und nicht im Freien gearbeitet werden. Zudem „könnten“ zusätzliche Pausen eingelegt und auf leichtere Aufgaben wie Aufräum- oder Wartungsarbeiten ausgewichen werden. Freilich handelt es sich hier nur um Empfehlungen. „Es gibt einen bestehenden Rahmen, aber der ist relativ schwierig zu interpretieren“, sagte Rolf Pockroff von der Bundesanstalt. Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes meint, die Arbeitsschutzbestimmungen müßten nicht geändert werden. Auch Ozonausfallgeld sei „der falsche Weg“. Denkbar sei, daß Stunden nachgearbeitet werden, wenn Arbeiter bei Ozonalarm frei bekommen.

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