: Bordellbesuch auf Kosten der Bank
■ Ein Kassierer brachte in wenigen Wochen 572.000 Mark Bankgeld im Rotlichtmilieu durch
Mehr als eine halbe Million Mark hat ein Kassierer der Commerzbank-Filiale am Europacenter in wenigen Wochen ins Bordell getragen. Es war nicht sein Geld, sondern gehörte der Bank. Das lustige Leben des Angestellten flog auf, nachdem ein anonymer Anrufer Mitteilung gemacht hatte – ob Kunde oder Kollege, ist nicht bekannt.
Jedenfalls war dem Beobachter aufgefallen, daß die Zahl der Tausendmarkscheine, mit denen der Commerzbanker um sich warf, in keinem Verhältnis zu seinem Gehalt standen. Nach Informationen der taz wurde der Kassierer am Montag fristlos entlassen und dürfte nun seinem Prozeß entgegensehen.
Angelika Held-Flessing, die Sprecherin der Commerzbank, wollte sich gestern zu dem Vorfall nicht äußern. Als Begründung führte sie das Bankgeheimnis und den Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen an.
Der Kassierer der Commerzbank-Filiale am Europacenter wurde vor wenigen Tagen erwischt. Wie lange genau er seine außergewöhnliche Liquidität für die Investition ins Rotlichtmilieu nutzte, ist unbekannt. Vermutlich waren es aber nur wenige Wochen oder Monate. Dies dürfte sich aus dem Abrechnungsverfahren ergeben, das die Commerzbank an ihren Kassen anwendet.
Die Bank überprüft ihre KassiererInnen mindestens einmal im Monat. An einem vorher nicht bekannten Tag vergleichen die KontrolleurInnen die Computerbuchungen der jeweiligen Angestellten mit dem bei ihnen vorhandenen Bargeld. Dann müssen Ungereimtheiten auffallen – es sei denn, die PrüferInnen gucken aus Nettigkeit doch nicht so ganz genau hin.
Zwischen den Abrechnungsterminen allerdings können die KassiererInnen machen, was sie wollen. Sie müssen nur darauf achten, daß die Bilanz ihrer Tätigkeit im Computer stimmt – und abends ausgeglichen transferiert wird. Ob Bargeld fehlt, ist eine andere Sache. Denn die KassenmitarbeiterInnen verfügen über ihre eigenen Tresore in der Bankfiliale, in der sie abends das Realgeld deponieren. Daß gewisse Summen fehlen, die eigentlich vorhanden sein müßten, kann somit wochenlang unentdeckt bleiben. Möglicherweise hat sich der jetzt gekündigte Angestellte aber noch andere, viel trickreichere Transaktionen zunutze gemacht. Hannes Koch
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