: Raffiniertes Jura-Hilfsmittel verboten
■ Bayerns Justizminister will nicht, was StudentInnen gut finden: Lösungsschemata fürs Examen
Berlin (taz) – Jetzt kehrt wieder Gerechtigkeit ein in die juristischen Staatsexamina in Bayern. Wenn am 8. September 2.300 angehende Juristen zu ihrem ersten Staatsprüfung antreten, ist nämlich ein – so Bayerns Justizminister – „besonders raffiniertes“ Hilfsmittel nicht mehr erlaubt: Die überaus praktischen Schemata des Verlags juristische Studienhilfen (Bergen) hat das Oberlandesgericht München wegen Sittenwidrigkeit untersagt.
Justizminister Hermann Leeb (CSU) brauchte so drastische Formulierungen wie „Täuschungsmanöver“, weil die Lösungsschemata für juristische Aufgaben einfach gut gemacht sind. Der Studienhilfen-Verlag gibt drei Bände heraus, die den in Examen zugelassenen Gesetzestexten ausgesprochen ähnlich sind. So haben es die Prüfungsaufseher ziemlich schwer: Sie können kaum erkennen, ob die angehenden Herrscher über das Recht nur angestrengt blättern, etwa im „Sartorius“, der Gesetzessamlung Öffentliches Recht. Oder ob sich in dem sattsam bekannten roten Sartorius-Ringbuch auch Einlegeblätter des Gießener Anwalts Reinhard Nemitz befinden – der das erfolgreiche Lern- und unerlaubte Hilfsmittel herausgibt.
Nemitz' Einlegeblätter, verrät die Berliner Studentin des Rechts, Corinna Behler, „benutzen fast alle Jurastudenten“: zum Lernen und wohl auch zum Spicken. Für angehende Juristen sind das Lehrbuch aus dem Studienhilfen-Verlag sowie die Hilfestellungen zum materiellen und zum Verfahrensrecht so hilfreich, weil darin die roten Fäden durch den Paragraphendschungel ausgelegt sind. „In meinen Augen ist Spicken schlecht“, meint hingegen eine Rechtsreferendarin am Oberlandesgericht München. Auch sie hat, „natürlich!“, den Nemitz herangezogen, bestätigt sie, „aber nur zum Lernen und nicht in der Prüfung“. Und schiebt verdrossen hinterher, Herr Leeb könne durch seine Pressemitteilung „sicher nicht verhindern, daß weiter abgeguckt wird“.
Nemitz vertreibt seine Schemata seit 1988 und gibt sich verärgert. Hunderttausende Staatsexamen hätten stattgefunden. Aber wegen vier oder fünf Studenten, die sein Werk mißbraucht hätten, werde er nun mit einem Prozeß überzogen. Geklagt hat gegen ihn der Beck-Verlag. Dieser Quasi- Monopolist für Gesetzestexte wollte Nemitz' Studienhilfen erst ins eigene Verlagsprogramm übernehmen. Aber der Gießener Anwalt wollte das lukrative Geschäft weiter selber betreiben.
Der Beck-Verlag klagte daraufhin auf Unterlassung. Er bekam recht, weil die Einlegeblätter des Konkurrenten im gleichen Format und mit dem gleichen Papier erscheinen. Allerdings ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen. Verleger Nemitz hat Revision eingelegt, über die nun der Bundesgerichtshof entscheiden muß. Vielleicht wäre das auch ein hübscher Übungsfall – fürs Staatsexamen am 8. September. Um der Gerechtigkeit willen. Christian Füller
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