■ Nordirland: Die „Wahre IRA“ erklärt einen Waffenstillstand: Logistische Probleme?
Die „Real IRA“ (RIRA) sagt: Sorry, das Massaker an Zivilisten im nordirischen Omagh haben wir nicht gewollt. Das ist ihr durchaus zu glauben, doch den Opfern nützt es nichts. Nun geht es darum, eine Wiederholung zu verhindern. Die Verantwortlichen für den Anschlag sind nicht die „Monster und Bestien“, als die sie allenthalben dargestellt werden. Mit einer Dämonisierung kommt man ihnen nicht bei.
Warum bedarf es immer erst einer Katastrophe, um eine Wende herbeizuführen? Das war nach dem Mord an den drei Kindern im Juli so, als die Oranier ihre Belagerung des Katholikenviertels abbliesen, und nach dem Anschlag von Omagh hat die RIRA nun einen Waffenstillstand erklärt. In beiden Fällen beharren die Organisationen jedoch darauf, im Recht zu sein. Die RIRA-Waffenstillstandserklärung läßt nichts Gutes ahnen. Offenbar legt sie die Waffen nicht deshalb nieder, weil sie die Terrorkampagne für sinnlos und falsch hält, sondern weil sich ihre Mitglieder in Omagh als unfähig erwiesen haben. In der Erklärung, in der sie die Verantwortung übernommen haben, ist vom „fortdauernden Krieg gegen die Briten“ die Rede. Geht er weiter, wenn man das kleine logistische Problem in den Griff bekommen hat?
Diejenigen Politiker aber, die sich auf den Willen des Volkes berufen und auf die Volksentscheide für das britisch-irische Abkommen vom Karfreitag hinweisen, übersehen dabei geflissentlich die irische Geschichte: Weder beim Osteraufstand 1916 noch beim daraus resultierenden Unabhängigkeitskrieg vier Jahre später hatten die Rebellen ein Mandat des irischen Volkes. Ihr Mandat bezogen sie aus der „Gerechtigkeit der Sache“, die auch die RIRA für sich beansprucht.
Nicht nur die IRA-Partei Sinn Féin stammt von den damaligen Aufständischen ab, sondern auch die heutigen Dubliner Regierungsparteien und die meisten Oppositionsparteien. Das soll keineswegs den mörderischen Anschlag von Omagh entschuldigen, sondern aufzeigen, daß man bei allem Entsetzen über die Terrorbombe einen kühlen Kopf bewahren muß. Es ist verblüffend, daß es gar nicht so sehr die Politiker, sondern vor allem Journalisten sind, die drakonische Maßnahmen und eine Einschränkung der Bürgerrechte fordern: Internierungen ohne Gerichtsurteil, Aufhebung des Zeugnisverweigerungsrechts, Verurteilungen aufgrund der Aussage eines einzelnen Polizisten — alles muß so schnell wie möglich her, damit nicht eine kleine Minderheit ein Chaos anrichten kann. Gibt man den Medienforderungen nach, dann hat man den Grundstein dafür gelegt, daß diese Minderheit so klein nicht bleibt. Ralf Sotscheck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen