Kommentar (siehe Seite 24): Presse-Spektakel
■ Vulkan-Anklage lenkt ab von Politik
So eine Pressekonferenz hat Seltenheitswert: Die Staatsanwaltschaft bittet ins Rathaus, um mit den Journalisten über die Anklage gegen die Vulkan-Manager zu reden. In der Staatsanwaltschaft ist halt kein Platz, könnte man annehmen. Schließlich war der Ansturm groß – von der Syker Kreiszeitung bis hin zum ZDF wollten alle wissen, was die Ermittler herausgefunden haben. Das, was die Staatsanwälte zu sagen hatten, war hinlänglich bekannt. 854 Millionen Mark, die für die Ostwerften bestimmt waren, sind im Westen versickert. Die Vulkan-Bosse hätten das nicht zulassen dürfen. Punkt.
Vielleicht wollten die Ermittler wirklich nur zeigen, wie schwierig das Verfahren sei. Die Pressekonferenz hat noch einen anderen Effekt. Das Scheinwerferlicht richtet sich auf Friedrich Hennemann und andere Vulkan-Bosse. Sie sind schuld und sonst niemand. Daß es die Treuhand Hennemann & Co. sehr leicht gemacht hat, ist kein Thema mehr. Das Minus von einer Milliarde Mark, das die Bremer Landesregierung mit dem Vulkan gemacht hat, ist vergessen. Daß es vor allem die Bremer SPD war, die jahrelang Geld in den Vulkan gepumpt hat, wird geschickt überstrahlt. Im Wahlkampf sollen die Wähler nicht an verfehlte SPD-Subventionspolitik denken. Nur sehr mißtrauische Zeitgenossen werden vermuten, daß es möglicherweise Justizsenator Henning Scherf (SPD) war, der die Pressekonferenz im Rathaus angeregt hat. Kerstin Schneider
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