: Kriegsterror gegen Terrorkrieg
■ Nach ihren Bombenangriffen in Afghanistan und im Sudan müssen die USA neue Anschläge fürchten. Antiamerikanische Demonstrationen in islamischen Ländern. Verbündete halten zu Clinton, nur Jelzin schmollt
Kairo/Berlin (taz) – Mindestens 29 Tote haben die US-Angriffe in Afghanistan und im Sudan gefordert. Die Zahl könnte noch beträchtlich steigen, denn militante Islamisten und die US-Regierung haben sich den Krieg erklärt. Die Angriffe am Donnerstag abend seien Teil eines „langfristigen Krieges gegen den Terrorismus“, erklärte US-Präsident Bill Clinton und ließ die Sicherheitsvorkehrungen der US-Botschaften weltweit verstärken. Das Außenministerium rief US-Bürger im Ausland zu besonderer Vorsicht auf. Bereits Anfang der Woche hatte die „Internationale Islamische Front für den Heiligen Krieg gegen Juden und Kreuzfahrer“ den USA weitere Anschläge „Tag für Tag“ angekündigt. Gründer der Front ist Ussama Bin Laden – das Ziel der US-Angriffe.
75 Marschflugkörper feuerten US-Militärs von Kriegsschiffen im Roten Meer und Indischen Ozean ab. Dabei kamen in dem afghanischen Militärlager Schawar 21 Menschen ums Leben, berichteten die fast das ganze Land beherrschenden Taliban. Bei einem zweiten Angriff bei Dschalalabad seien drei weitere getötet worden. Ussam Bin Laden dagegen sei in Sicherheit.
Bei dem Angriff auf eine Fabrik in der sudanesischen Hauptstadt Khartum wurden nach sudanesischen Angaben mehrere Arbeiter getötet. Unter den Trümmern sollen bis zu 300 Menschen verschüttet sein. Eine fehlgeleitete Rakete schlug in Pakistan ein und kostete fünf Menschen das Leben.
In den islamischen Staaten stießen die Bombardements auf unterschiedliche Grade der Ablehnung. Im Sudan wurde am Morgen die leerstehende US-Botschaft von einer aufgebrachten Menge gestürmt. Die Regierung in Khartum brach die diplomatischen Beziehungen zu den USA ab.
Die Arabische Liga in Kairo bezeichnete die Angriffe als „Bedrohung für die Sicherheit des Nahen Ostens“. Militärische Aktionen könnten das Problem des internationalen Terrorismus weder lösen noch dessen Motive beseitigen. Ein Sprecher des irakischen Revolutionsrates nannte die USA eine „Bedrohung für die internationale Gemeinschaft“. Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi verurteilte das „brutale barbarische Verhalten“ der US-Regierung.
Andere arabische Staaten hielten sich zurück. Einige stecken in einem Dilemma, sind sie doch selbst mit einer islamistischen Opposition konfrontiert. Der ägyptischen Regierung etwa kommen Schläge gegen den Sudan als Gastgeber auch ägyptischer Islamisten nicht ungelegen. Einen Angriff auf ein souveränes Mitglied der Arabischen Liga kann Kairo aber keinesfalls offiziell gutheißen.
Auch Pakistans Regierung verurteilte das Bombardement im Nachbarland Afghanistan. Der US-Angriff habe die Souveränität eines islamischen Landes verletzt. In verschiedenen islamischen Ländern wurde nach dem Freitagsgebet gegen die Angriffe demonstriert.
UN-Generalsekretär Kofi Annan erklärte gestern, er sei „besorgt über diese Entwicklung“. Verurteilt wurden die Angriffe in Rußland. „Ich habe nicht gewußt, daß dieser Schlag kommen würde, das ist unfair“, klagte Präsident Boris Jelzin.
Unterstützung bekundeten die westlichen Verbündeten der USA, wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Israel. In Deutschland zeigten auch SPD und Bündnisgrüne Verständnis für das Vorgehen Washingtons. Karim EL-Gawhary/Thomas Dreger
Tagesthema Seiten 2 und 3,
Kommentar Seite 12
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen