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■ NachschlagDas Freie Schauspiel in der Pflügerstraße gibt auf

„Auch schlechte Kultur muß eine Chance haben zu sterben.“ Das Wort des Kritikers Hartmut Krug im Senatsbeirat der Freien Theatergruppen im vergangenen Jahr war unmißverständlich. Als es wieder mal um die Verteilung der Fördergelder ging, stand das Freie Schauspiel erstmals ganz ohne Zuschuß da. „Die vordergründige Beschäftigung mit ökonomischen Problemen erschwert die Konzentration auf die künstlerische Arbeit bis hin zur Unzumutbarkeit“, erklärte die künstlerische Leiterin des 60-Plätze-Theaters Ende Mai diesen Jahres und gab damit die Schließung des Hauses bekannt.

Der Theatertod tritt nun also tatsächlich ein, mit Beleidsbekundungen wurde das kleine Ensemble allerdings keineswegs überschüttet. „Wahrscheinlich interessiert es die Leute nicht wirklich, ob es da ein kleines Theater in Neukölln gibt oder nicht“, sagt Paul Schramm sichtlich gefrustet und enttäuscht. Er ist einer von fünf Mitarbeitern, die mit der Schließung ihre Anstellung verlieren. Ein bißchen ausgebootet durch das neue Förderkonzept fühle man sich schon, aber nach der ersten Wut und Enttäuschung macht sich nun auch Erleichterung breit. Die finanzielle und verwaltungstechnische Last des eigenen Hauses ist abgeworfen. Sein Ende kann auch ein neuer Anfang sein. Künftig will das Freie Schauspiel als freie Gruppe weiterarbeiten. Ein erstes Projekt gibt es bereits: eine Bühnenadaption von Ingeborg Bachmanns Hörspiel „Der gute Gott von Manhattan“. Der Antrag auf finanzielle Unterstützung dieser Inszenierung wurde vom Lotto-Beirat allerdings bereits abgelehnt, nun hofft man auf Geld aus dem Senatstopf für Projektförderung.

Vor 16 Jahren begann die Geschichte des Freien Schauspiels mit Wolfgang Bauers „Magic Afternoon“, damals noch in Igor Jedlins Zaubertheater im Ku'damm-Karree. Seine Heimat fand das Freie Schauspiel in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Bäckerei nahe des Hermannplatzes, die zu einem Theater auf zwei Ebenen umgebaut wurde. Dort, wo man mit dem 68er-Musical „Rotes Koma“ 1989 den größten Erfolg feiern konnte, herrscht derzeit jedoch eher Trödelmarktatmosphäre. Denn jetzt heißt es zehn Tage lang „Alles raus“. Der komplette Fundus, die Kostüme, Anlagen, Beleuchtung, Bühnenbilder – alles wird verkauft. „Und dann geht es irgendwie weiter“, sagt Paul Schramm zuversichtlich. Axel Schock

Bis 3. September, täglich 10–14 Uhr, Pflügerstr. 3, Neukölln

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