Analyse
: Tragische Amtszeit

■ Die Ausländerbeauftragte Schmalz-Jacobsen nimmt Abschied

Seit gestern, ihrer letzten Pressekonferenz im Amt der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, ist Cornelia Schmalz-Jacobsen nun also von ihrem Amt praktisch erlöst. Nach der Bundestagswahl tritt sie zurück mit der Begründung, mehr Zeit fürs Private haben zu wollen. Mag sein, daß die stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP tatsächlich nicht aus Frust über das Ergebnis ihrer siebenjährigen Arbeit das Feld räumt, aber es hätte sehr wohl der Grund sein können.

Cornelia Schmalz-Jacobsen mußte viele bittere Pillen schlucken, die wohl bitterste, als es um die Abstimmung im Bundestag über ihr Herzensprojekt ging, die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Seit vielen Jahren kämpft die 63jährige um die automatische Einbürgerung von in Deutschland geborenen Kindern von Ausländern. Aber als es im April dieses Jahres darum ging, im Bundestag Flagge zu zeigen, trug sie durch ihre Stimmenthaltung dazu bei, die Reform für diese Legislaturperiode zu Grabe zu tragen. Nun gut, die zur Abstimmung stehende Gesetzesinitiative des von der SPD dominierten Bundesrates entsprach nicht vollständig ihren Positionen. Die SPD will nur diejenigen Kinder automatisch einbürgern, deren Eltern bereits in Deutschland geboren sind, und fordert keine zeitliche Beschränkung für die mit der Einbürgerung verbundene doppelte Staatsbürgerschaft. Aber besser als die jetzige Regelung fand Schmalz- Jacobsen den Bundesratsantrag allemal. Kurioserweise war ihre Stimmenthaltung sogar couragiert. Die Fraktionsführung hatte von ihren Abgeordneten verlangt, gegen das Gesetz zu stimmen, um die Koalition nicht zu gefährden. Schmalz-Jacobsen drohte mit dem Rücktritt, wenn sie sich nicht wenigstens enthalten könne. Andere, wie Generalsekretär Guido Westerwelle, stimmten gegen das Gesetz. Schwer zu knabbern hatte sie auch an der Verabschiedung des Ausländergesetzes 1996, das sie trotz großer Bedenken mittrug. Die darin vorgesehene Verschärfung der Ausweisungsbestimmungen für straffällig gewordene Ausländer (Abschiebung ab Haftstrafe von drei statt fünf Jahren) lief ihrem Bestreben zuwider, durch die automatische Staatsbürgerschaft Abschiebungen Straffälliger ganz zu verhindern. Letztlich stimmte sie aber zu, um das Gesetzespaket insgesamt nicht zu gefährden, das auch Verbesserungen, insbesondere für Rentner und Frauen, vorsah. Auf diese Weise hatte ihre Amtszeit etwas Tragisches. Sie meinte es gut, setzte sich vehement für ihre Ansichten ein, erreichte einiges, repräsentiert aber dennoch eine Ausländerpolitik der Regierung, die entscheidende Reformen (Einwanderungsgesetz, Staatsangehörigkeitsrecht) nicht angepackt hat. Markus Franz

Portrait Seite 13