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Hoffnung für Zwangsarbeiter

■ Die deutsche Wiedervereinigung und zwei Musterprozesse bereiteten den Weg für individuelle Entschädigung durch eine Stiftung

Bremen (taz) – Überlebende ehemalige NS-Zwangsarbeiter gehen in den USA gegen deutsche Firmen vor. Sie verklagen unter anderem BMW, VW, Daimler- Benz, Siemens, Krupp MAN und Leica. Dies gab gestern der Anwalt der Kläger, Michael Witti bekannt. Bereits in der vergangenen Woche hatte US-Anwalt Ed Fagan eine Sammelklage von NS-Opfern gegen den Degussakonzern in New Jersey eingereicht.

Es sieht so aus, als ob die Unternehmen bereit sind, an die Überlebenden Geld zu zahlen. Hinter den Kulissen wird an der Konstruktion eines Fonds oder einer Stiftung gefeilt, an die Nazi-Opfer aus aller Welt ihre Ansprüche anmelden können. Vor allem in der ehemaligen Sowjetunion und in Polen leben Tausende von ehemaligen Zwangsarbeitern, die bisher noch keinen Pfennig Wiedergutmachung erhalten haben. Von den 7,6 Millionen Menschen, die im Sommer 1944 in Deutschland Sklavenarbeit leisten mußten, waren 2,5 Millionen Kriegsgefangene und rund 5 Millionen Fremdarbeiter aus 20 Staaten.

„Der durchschnittliche Zwangsarbeiter des Jahres 1944“, sagt der Freiburger Historiker Ulrich Herbert, „ist ein 18jähriges Mädchen aus Kiew.“ Das erklärt auch, warum jüdische Organisationen sich bisher eher zögerlich für die Zwangsarbeiter eingesetzt haben. Maßgeblich beteiligt an den Gesprächen über eine Stiftung für ehemalige Zwangsarbeiter sind der Volkswagen-Konzern und als wichtiger Anteilseigener die niedersächsische Landesregierung. VW hat bereits erklärt, seine einstmals 15.000 Zwangsarbeiter zu entschädigen. Jetzt versuchen die Beamten aus Gerhard Schröders Staatskanzlei, die Wolfsburger zum Vorreiter für eine bundesweite Lösung zu machen.

Dem Vernehmen nach soll VW das Startkapital bereitstellen, um eine Stiftung arbeitsfähig zu machen. Auch die politischen Galionsfiguren hat Klaus von Münchhausen, als Verteter des Auschwitz-Kommitees und Bevollmächtigter von 600 ehemaligen Zwangsarbeitern die treibende Kraft auf Seiten der Opfer, bereits ausgemacht. Nachdem Bundespräsident Roman Herzog mit Verweis auf seine „verfassungsrechtliche Stellung“ eine aktive Rolle abgelehnt hat, laufen Gespräche mit dem SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel. Am Freitag treffen sich bei Vogel Beamte aus Schröders Staatskanzlei, der Bremer Münchhausen und spezialisierte Anwälte. Um die Initiative nicht als SPD- Idee erscheinen zu lassen, werden auch Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker (CDU) und Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch (FDP) an die Spitze der Stiftung gebeten.

Gerhard Schröder hat angekündigt, daß sich im Falle eines Wahlsieges auch die Bundesregierung an dieser Stiftung beteiligen werde, wie es auch die Bündnisgrünen schon seit Jahren fordern. Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) lehnt es jedoch ab, die staatliche Entschädigungskasse noch einmal aufzumachen. Auch Zahlungen der Industrie wollte die Bundesregierung bisher verhindern: 1996 und 1997 trafen sich mehrmals hohe Beamte des Auswärtigen Amtes und der Ministerien für Justiz und Finanzen, um mit Vertretern von Bayer, Krupp, Hoechst und Daimler Benz, um Strategien gegen eine – erfolglose – Schadenersatzklage des US-Amerikaners Henry Fishel gegen diese Firmen vor einem Gericht im US- Bundesstaat Iowa zu beraten.

Die Bundesrepublik zahlte bisher rund 100 Milliarden Mark zur Sühne der Nazi-Verbrechen. Die individuelle Entschädigung von Zwangsarbeitern war jedoch völkerrechtlich durch das Londoner Schuldenabkommen lange Zeit nicht einklagbar. Erst mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag über die deutsche Wiedervereinigung 1990 wurde dies möglich. Die Landgerichte in Bremen und Bonn hatten 1992 das Bundesverfassungsgericht um diese Klärung gebeten. Vor beiden Gerichten hatte Klaus von Münchhausen 1990 Klagen von jüdischen Zwangsarbeiterinnen gegen die Bundesrepublik Deutschland eingereicht. Die Frauen hatten für den Bremer Bausenator Trümmer geräumt und im KZ Auschwitz für für die Munitionsfirma Weichsel Metallunion KG gearbeitet.

Nach der Entscheidung der Verfassungsrichter sprachen beide Gerichte in erster Instanz jeweils einer der Klägerinnen 15.000 Mark Entschädigung zu, weil sie im Gegensatz zu ihren Mitstreiterinnen noch keinerlei Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz erhalten haben. Die Bundesregierung hat in beiden Fällen ebenso wie die unterlegenen Klägerinnen Berufung eingelegt, die im Herbst verhandelt werden. Münchhausen wertet diese Entscheidung der Landgerichte als entscheidenden Durchbruch auf dem Weg zu einer von der Wirtschaft mitfinanzierten Stiftung für Zwangsarbeiter: Jetzt müßten auch die Firmen selbst damit rechnen, Entschädigungsprozesse gegen ausländische Überlebende zu verlieren. Joachim Fahrun

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