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Ex-Nato-Chef vor Gericht

■ In Brüssel hat der Bestechungsprozeß um die sogenannte Agusta-Affäre begonnen

Brüssel (AFP/AP/dpa) – Vor dem Kassationsgericht in Brüssel hat gestern der größte Bestechungsprozeß in der Geschichte Belgiens begonnen. Insgesamt zwölf Ex-Minister, Parteifunktionäre der Sozialisten und Rüstungsmanager sind der aktiven oder passiven Korruption angeklagt. Die Unternehmen Dassault aus Frankreich und Agusta aus Italien sollen Millionen Bestechungsgelder bezahlt haben, um sich Ende der achtziger Jahre Rüstungsaufträge der belgischen Regierung zu sichern. Auf der Anklagebank sitzen auch der frührere Nato-Generalsekretär und Ex-Wirtschaftsminister Willy Claes sowie der ehemalige Verteidigungsminister Guy Coäme.

Zu Prozeßbeginn traf auch der französische Konzernchef Serge Dassault im Justizpalast ein, dessen Erscheinen in Brüssel bis zuletzt unsicher gewesen war. Der 73jährige hatte sich in den vergangenen zwei Jahren wiederholt geweigert, zu Verhören nach Belgien zu kommen. Vorübergehend gab es deswegen einen internationalen Haftbefehl der belgischen Justiz gegen ihn. Dassault soll vor Prozeßauftakt angeblich die Zusicherung bekommen haben, beim Eintreffen in Belgien nicht festgenommen zu werden.

Zu den weiteren Angeklagten gehören frühere Parteichefs und Schatzmeister der flämischen Sozialistische Partei (SP) und der wallonischen Sozialisten (SP), die an der Regierungskoalition mit den Christdemokraten beteiligt sind.

Dem Bestechungsskandal war die Justiz Anfang der neunziger Jahre im Zuge der Ermittlungen zum Mord an dem sozialistischen Politiker André Cools auf die Spur gekommen. Die Generalstaatsanwaltschaft verdächtigt Agusta, rund 51 Millionen Belgische Franc (2,5 Millionen Mark) an die SP, der auch Claes angehört, gezahlt zu haben, um den Auftrag zur Lieferung von 46 Militärhubschraubern zu erhalten. Der ebenfalls angeklagte Ex-Agusta-Chef Raffaello Teti war zehn Tage vor Prozeßbeginn in Rom verstorben. Gestern wurde eine Erklärung des Anwalts Tetis im Prozeß verlesen.

Dassault soll mit 60 Millionen Belgischen Franc (drei Millionen Mark) die flämischen Sozialisten und mit 1,5 Millionen ihre wallonische Schwesterpartei finanziert haben. Dassault Aviation erhielt den Auftrag, für insgesamt elf Millarden Franc die Jagdbomber F-16 der belgischen Luftwaffe mit elektronischen Abwehrsystemen auszustatten und die Mirage-Flugzeuge zu modernisieren.

Die drei sozialistischen Politiker, denen Bestechlichkeit und Urkundenfälschung vorgeworfen wird, bestreiten die Vorwürfe. Ihnen drohen Haftstrafen bis zu fünf Jahren, die allerdings zur Bewährung ausgesetzt werden könnten. Ihre politische Karriere allerdings in zu Ende.

Der Prozeß soll mehrere Monate dauern. Gestern wurde er gleich nach Beginn wegen technischer Probleme mit der Übersetzungsanlage für einige Minuten unterbrochen.

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