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TV-Realität

■ Weil die Vorabend-Soap "Marienhof" antifaschistische Zivilcourage thematisiert, bekommen ihre Macher Drohbriefe von rechts

Wahlwerbung für die „Republikaner“, so mußte Sat.1 dieser Tage feststellen, kann man nicht einfach so nicht ausstrahlen, wenn man dem rechten Pöbel in Deutschland eins auswischen will. Dafür muß ein TV-Sender in der Wahlkampfzeit schon tiefer in die Programmtrickkiste greifen. Die gute alte ARD macht uns das zur Zeit wieder bravourös vor: Im „Marienhof“ nämlich.

Schließlich lehrt die Medienpsychologie: Es gibt keine politische Aufklärung, die näher am Zuschauer ist, als diejenige, die man in eine Seifenoper verpackt. Drastisch zeigt der „Marienhof“ darum seiner jungen Zielgruppe, zu was (TV-)„Faschos“ fähig sind: Weil die Schülerin Meike Port in ihrer Jugendradiosendung eine Reportage über Rechtsradikalismus macht, erlebt sie anschließend einen Alptraum. Nach ersten Drohanrufen wird ihr Freund Björn von einer Horde Rechtsradikaler auf offener Straße fast erstochen, sie selbst erst mit dem Auto gejagd und anschließend niedergeschlagen...

Neu ist das alles nicht. Vor gut drei Jahren hatte der „Marienhof“ schon einmal faschistisches Gedankengut zum Thema. Damals wurde der Gemüsestand des Vorabendtürken Sülo abgefackelt, der radikale Heiner und seine Gang terrorisierten die Kids des Viertels, und schon bald saß der fiese Heiner hinter Gittern, schien die Gefahr gebannt.

Rechtsradikalismus im Wahlkampf: ein Zufall

Doch nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt hätten die „Marienhof“-Storyliner erneut Handlungsbedarf gesehen, erzählt ihr Pressesprecher Kai Meinschien: „Wir wollten das Thema Rechtsradikalismus und seine Gefahren unbedingt noch mal zum Thema machen“. Letzte Woche nun wurde die Story ausgestrahlt. Mitten im Wahlkampf. Meinschien würde gerne bestätigen, „daß diese Zeiteinheit geplant und durchdacht war, aber eigentlich ist es nur ein Zufall, daß die Bundestagswahl und die Ausstrahlung dieser Geschichte zusammenfallen“.

Den radikalen Rechten in der Soap-Zielgruppe stößt dieser Zufall indes offensichtlich bitter auf: Denn während Meike in der fiktiven Geschichte wegen ihrer angeblich negativen Darstellung rechtsradikaler Gruppierungen in einem öffentlichen Medium Drohanrufe bekommt, flatterte der ARD-Pressestelle zur selben Zeit und aus dem selben Grund der erste reale Drohbrief ins Haus.

Anonyme Zuschauerpost landet im Papierkorb

Meinschien aber will sich zu den Drohungen nicht weiter äußern: „Wir bekommen permanent Zuschauerpost zu Themen, die in der Serie behandelt werden. Wenn die aber, wie in diesem Fall, anonym ist und aus dem rechten Lager kommt, dann ist schlicht jedes Wort zuviel.“ Fest steht nur: Anonyme Drohbriefschreiber haben auch weiterhin keinen Einfluß auf die Storylines in TV-Serien. Frau Spaner von der ARD-Pressestelle findet dafür klare Worte: „Zuschauerpost ohne Absender und Namensangabe landet ungelesen im Papierkorb. So einfach ist das!“ Da können die anonymen Absender (des versehentlich doch gelesenen) Briefes noch so über „feige Publikmache gegen rechts“ zetern, die man sich „nicht länger gefallen lassen“ wolle. Ähnliche Drohungen erhielt auch schon die allsonntägliche „Lindenstraße“, die sich in ihrer langen Geschichte bereits wiederholt nicht nur mit rechtsradikalen Übergriffen und Gruppierungen, sondern auch mit faschistischer Vergangenheitsbewältigung beschäftigte und sich dafür ebenfalls Drohbriefe und -anrufe einhandelte.

Doch Meinschien versichert: „Unsere Geschichten sind sauber erzählt und gut recherchiert, glauben Sie mir das! Und wenn sich das rechte Lager da noch so drüber aufregt!“ Mut und Verantwortungsbewußtsein jedenfalls scheint man den „Marienhof“- und „Lindenstraße“-Machern nicht absprechen zu können, wenn sie sich – gerade in Wahlzeiten – solcher Themen überhaupt annehmen.

Wie so etwas ausgeht, weiß allerdings niemand. Nur in der Serie kommen die gewalttätigen „Faschos“ hinter Schloß und Riegel – und das Thema Rechtsradikalismus wieder zu den Akten. Meike hatte sich nämlich in der vergangenen Woche von der „Landesbildstelle“ Nazi-Aufklärungsvideos zuschicken lassen und schweren Herzens die vielgerühmte „Zivilcourage“ für sich entdeckt... Nun kann sie guten Gewissens mit Freund Björn in Urlaub nach Mallorca fliegen. Wenn's doch in der Realität nur auch so einfach wäre. Frank M. Ziegler

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