: ARD-Vorsitzender verlangt Null-Diät für kleine Sender
■ Finanzausgleich für finanziell schwächere ARD-Anstalten soll bis zum Jahr 2010 abgeschafft werden. Saarlands Intendant protestiert gegen „Zerschlagung“
Berlin (taz) – Die ARD steht vor einer neuen Zerreißprobe. Der ARD-Vorsitzende und MDR-Intendant Udo Reiter verlangt, daß die finanzschwachen kleinen Sender auf Diät gesetzt werden. Die Zahlungen sollen ab dem Jahr 2001 in Stufen von jährlich zehn Prozent zurückgefahren werden. Nach zehn Jahren würde diese Diät bei Null enden. Das fordert Reiter in einem Schreiben vom 31. August, dessen wesentlicher Inhalt der taz gestern bekannt wurde.
Der Intendant des kleinen Saarländischen Rundfunks (SR), Fritz Raff, erklärte, er könne nicht zulassen, daß sein Sender „zerschlagen“ werde. Die Saarland-CDU warnte vor einem „Todesstoß“ für die kleinen Sender. Der Sender Freies Berlin teilte mit, Reiters „harte Haltung“ sei „unannehmbar“ und nicht im Sinne des Föderalismus in Deutschland. Reiters Pressestelle wollte gestern zum Inhalt des Vorschlages keine Stellung nehmen.
Derzeit erhalten Radio Bremen, der Saarländische Rundfunk und der Sender Freies Berlin noch insgesamt 186 Millionen Mark jährlich aus dem ARD-Finanzausgleich. Die Diskussion um die Struktur des Senderverbundes gärt schon, seit die Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) und Kurt Biedenkopf (CDU) vor drei Jahren unter anderem die Abschaffung der kleinen Sender forderten.
Ihr heftiger Druck führte dazu, daß die Ministerpräsidenten aller Bundesländer von der ARD eine Strukturreform forderten. Im Frühjahr einigten sich die elf Intendanten auf ein Kompromißpapier, nach dem sich jede Rundfunkanstalt künftig „weitgehend“ eigenständig finanzieren solle. Im Gegenzug fragten die Regierungschefs bei den Intendanten an, was denn die von allen unterschiedlich ausgelegte Formulierung „weitgehend“ bedeuten solle – und erbaten eine Antwort bis Ende Oktober.
Gestern diskutierten die Intendanten über ihre Antwort. Neben Udo Reiter präsentierte auch SR-Intendant Fritz Raff ein eigenes Modell. Nach Informationen aus der ARD ist er dafür, daß die kleinen Anstalten noch zweimal von einer Erhöhung der Rundfunkgebühren profitieren können, um anschließend einen Abbau der Zahlungen zu verkraften. Geht es dagegen nach Reiter, soll die Abmagerungskur schon 2001 beginnen. In einem internen Schreiben kommentierte er Raffs Modell mit Blick auf die dazu völlig gegensätzlichen Vorstellungen von Stoiber und Biedenkopf: „Einige Ministerpräsidenten würden sich dadurch verspottet vorkommen.“ Sein eigenes Modell nannte er intern eine „kulante Lösung“.
Zwischen den Extrempositionen von Raff und Reiter ist außerdem noch ein Kompromißmodell im Umlauf. Es kommt von Peter Voß, Intendant des gerade gegründeten Großsenders Südwestrundfunk (SWR). Voß hat, so heißt es in der ARD, in einem Papier vom Montag vorgeschlagen, die kleinen Sender sollten nicht mehr für die sogenannten ARD-Gemeinschaftsaufgaben wie die Redaktion von „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ bezahlen müssen. Zudem soll es demnach einen Strukturfonds in Höhe von einem Prozent des gesamten Gebührenaufkommens der ARD geben. Bei insgesamt neun Milliarden Mark Rundfunkgebühren wären das neunzig Millionen. Georg Löwisch
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