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Statt Vietnam Ausreise nach Tschechien

■ Halbzeit des Rückkehrabkommens: Nur knapp 6.000 Vietnamesen kehrten zurück, viele zogen nach Tschechien, Polen und in die Slowakei

Berlin (taz) – Resigniert zieht das Bundesinnenministerium Halbzeitbilanz des vor 3 Jahren mit Vietnam abgeschlossenen Rückübernahmeabkommens: 4.716 VietnamesInnen wurden seitdem aus Deutschland abgeschoben. Zählt man die 1.050 VietnamesInnen hinzu, die gleichzeitig freiwillig nach Vietnam gingen, so gab es nur etwas mehr als ein Viertel so viele RückkehrerInnen wie vereinbart. Das Abkommen sah bis Ende 1998 insgesamt 20.000 RückkehrerInnen vor. Weitere 20.000 VietnamesInnen sollten bis Ende des Jahres 2000 Deutschland verlassen. Danach wollte die Bundesregierung die „illegalen Vietnamesen“ los sein. Daran glaubt inzwischen niemand mehr. Ausländerinitiativen hatten die Zahl von 40.000 VietnamesInnen ohne Aufenthaltsrecht ohnehin immer für zu hoch gehalten und waren von 25.000 ausgegangen.

Die Mehrheit der VietnamesInnen ohne Aufenthaltsrecht sind abgelehnte AsylbewerberInnen, die in den 90er Jahren illegal aus Vietnam ausreisten. Im vietnamesischen Strafgesetzbuch ist die unerlaubte Ausreise eine Straftat, die mit Haft zwischen 3 Monaten und 2 Jahren sowie lebenslänglichem Wiedereinreiseverbot geahndet wird. Abschiebungen und freiwillige Ausreisen scheitern meist an der fehlenden Aufnahmebereitschaft Hanois. Dagegen hatte Vietnam nie Probleme, ehemalige VertragsarbeiterInnen zurückzunehmen, die bis 1989 legal in die DDR gekommen waren. 1990 blieben etwa 14.000 von ihnen in Deutschland, von denen nach Schätzungen von Ausländerinitiativen heute rund 80 Prozent ein Bleiberecht haben.

Das auf deutsche Initiative entstandene Rückübernahmeabkommen schuf insofern völkerrechtliche Normalität, als Vietnam sich verpflichtete, seine StaatsbürgerInnen zurückzunehmen. Doch Hanoi hat kein Interesse an der Wiederaufnahme der AuslandsvietnamesInnen, weil sie – sofern sie in Industriestaaten leben – durch die finanzielle Unterstützung ihrer Verwandten dringend benötigte Kaufkraft ins Land bringen. Zudem entlasten sie den Arbeitsmarkt. Die Regierung will auch den Einfluß „westlicher Werte“ über die RückkehrerInnen unter Kontrolle halten.

Die Bundesregierung hatte sich mit dem Abkommen – weitgehend in Unkenntnis des vietnamesischen Registriersystems – auf ein kompliziertes Listenverfahren eingelassen. Bonn muß zahlreiche Daten über die RückkehrkandidatInnen übermitteln, die Hanoi monatelang prüft. Bisher hat Bonn 24.350 Rücknahmeersuchen gestellt. Bei 8.310 KandidatInnen hat Vietnam nach Angaben des Bundesinnenministeriums die Rücknahme abgelehnt. Hanoi behält sich eine Prüfung vor, ob die Abzuschiebenden tatsächlich vietnamesische Staatsbürger sind. Besonders häufig lehnt Vietnam die Aufnahme in Deutschland geborener vietnamesischer Kinder ab.

Roger Kiel, Sprecher des Innenministeriums in Bonn, kritisiert gegenüber der taz die „Verweigerungshaltung“ der Regierung in Hanoi, freiwilliges Zurückkehren zu vereinfachen. „Nur bei einer erheblichen Erhöhung der Zahl der freiwilligen Ausreisen wird es uns gelingen, auch das Rückübernahmeabkommen zufriedenstellend umzusetzen.“ Deshalb drängt Bonn jetzt verstärkt zu „freiwilligen“ Ausreisen. Doch das ist oft nicht möglich. Flüchtlingsberater Klaus-Jürgen Dahler aus Berlin, der viele VietnamesInnen zur Paßbeantragung auf dem Gang zur Botschaft begleitet, weiß von Fällen, in denen „die Botschaft 800 Mark für die Ausstellung von Dokumenten haben will. Oder sie schickt die Leute wieder weg und verweist auf die Möglichkeit, sich abschieben zu lassen.“

Viele VietnamesInnen halten dem Ausreisedruck der deutschen Behörden nicht stand und ziehen nach Polen, Tschechien und in die Slowakei, wo es bereits größere Gemeinden von deutschsprechenden VietnamesInnen gibt. Dort sind sie vor Abschiebungen nach Vietnam sicher und betreiben vor allem in den Grenzgebieten zu Deutschland und Österreich Marktstände für TagestouristInnen. Deutschland ist der einzige europäische Staat, der mit Vietnam ein Rückkehrabkommen abgeschlossen hat. Solange Hanoi es nicht unterschrieben hatte, lagen Exportbürgschaften und 200 Millionen Mark Entwicklungshilfe auf Eis. Nur einem kleinen Teil der RückkehrerInnen kommt die Entwicklungshilfe in Form von Einarbeitungszuschüssen oder Existenzgründerkrediten direkt zugute. Menschenrechtsorganisationen kritisieren, daß Bonn die medizinische Zwangsuntersuchung im Rückkehrerlager am Hanoier Flughafen finanziert. Eine unabhängige Kontrolle durch das UNO-Flüchtlingshilfswerk ist nicht vorgesehen. Marina Mai

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