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PDS feiert größten Sieg

■ Mit fünf Prozent sehen sich Sozialisten auch im Westen Deutschland angekommen

Berlin (taz) – Schon um 18.01 Uhr war die Nachrichtenlage exzellent: Die PDS nimmt die Fünfprozenthürde. Wahlkampfleiter André Brie atmet durch, drückt sich die rote Rose – ein Geschenk der Mutter – fest ans Revers. Der Jubel in der alten Fabrikhalle in Berlin-Prenzlauer Berg will nicht enden. Keine Zeit für Wehmut. Aller Voraussicht nach hat die Direktkandidatin Petra Pau den so prestigeträchtigen Regierungsbezirk Mitte/Prenzlauer Berg dem SPD-Vorzeige-Ossi Wolfgang Thierse überlassen müssen.

„Der größte Erfolg in der Geschichte der PDS“, jubelt fünf nach sechs André Brie in die Mikrofone. Petra Pau, die wohl Berliner Landesvorsitzende bleiben wird, sieht die PDS nun auch im Westen angekommen: „Wir sind zu einer gesamtdeutschen Partei geworden“, frohlockt sie. 1994 war die PDS nur durch vier Direktmandate in den Bundestag gekommen. Nun könnte sie mit fünf Sitzen mehr (35) Fraktionsstatus erhalten.

18.24 Uhr: Der rote Balken klettert auf 5,1 Prozent. Christa Luft, die ihren Ostberliner Wahlkreis gewonnen hat, bekommt fünf rote Rosen überreicht, für jeden Prozentpunkt eine. Eine „starke linke Opposition zieht in den Bundestag ein“, tut die DDR-Ökonomin, die unter Modrow Wirtschaftsministerin war, kund. Später wird sie Fernsehreportern sagen, daß sie den SPD-Kandidaten Gerhard Schröder zum Kanzler mitwählen wird. Wie auch Gregor Gysi und Lothar Bisky. Der PDS-Chef sagte gutgelaunt, seine Partei strebe keine Regierungsbeteiligung an.

18.40 Uhr: Der rote Balken stoppt bei 5,3 Prozent. Elmar Schmähling, der Flottenadmiral, den die PDS zuerst im „Regierungsbezirk“ aufgestellt hat, schenkt sich Champagner ein. „Nein“, sagt er, „die Querelen um meine Person haben nichts damit zu tun, daß die PDS den Wahlkreis verloren hat.“ Wegen eines Betrugsverfahrens hatte der Ex-Chef des Militärischen Abschirmdienstes seine Kandidatur zurückziehen müssen. Notnagel war die Berliner Landesvorsitzende Petra Pau, die zwar als brave und nette Parteisoldatin gilt, aber nicht als „Powerfrau“, die die Wähler, viele Westler, die jetzt im Prenzlauer Berg zu Hause sind, mitziehen kann. Pau mußte nicht gewinnen. Auch in Rostock und Schwerin war die PDS nicht auf Direktmandate angewiesen.

18.59 Uhr: Der rote Balken läuft auf 5,5 Prozent Höchstform auf. In der alten Fabrikhalle wird „Silvester“ gefeiert.

20.00 Uhr: Der rote Balken sinkt. Jens Rübsam

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