"Wenn Rot-Grün, dann für vier Jahre"

■ Jürgen Trittin, Vorstandssprecher von Bündnis 90/Die Grünen, über sein Hochgefühl nach der Bundestagswahl, über die Knackpunkte bei den kommenden Koalitionsverhandlungen mit der SPD und zum möglichen K

taz: Herr Trittin, haben Sie eigentlich schon im vollen Ausmaß begriffen, was der Wahlausgang für Sie bedeutet?

Jürgen Trittin: Mit dem Verstand habe ich's schon am Wahlabend begriffen. Emotional angekommen ist es wahrscheinlich erst am Morgen danach bei der Pressekonferenz, also in einer völlig anderen Situation. Da wußte man: Jetzt ist es ernst.

Läuft man dann ein bißchen durch Bonn und sagt: Oh, bald gehört das alles uns?

Nein, überhaupt nicht. Es ist anders. Man geht morgens ganz normal einkaufen, und plötzlich beglückwünschen einen Leute. Das ist schon eine komische Erfahrung.

Noch gibt es ja eigentlich keinen Grund für Glückwünsche. Was werden denn die Knackpunkte in den Verhandlungen mit der SPD?

Wir werden sehr schnell verhandeln. Beide Seiten – ich betone: beide – stehen unter dem enormen Druck eines so klaren Votums der Wähler. Die haben gesagt: Die jetzige Regierung soll weg, es soll eine neue Regierung kommen, und die soll was machen. Deswegen werden beide unter dem Zwang stehen, sich zu einigen.

Es gab ja wenige grüne Wahlversprechen, aber der Einstieg in die ökologische Steuerreform war eines. Die SPD will den Benzinpreis allenfalls um ein paar Pfennige erhöhen. Was ist da verhandelbar?

Wir werden in dem Fall ebenso wie bei allen anderen Fragen mit unserem gesamten Programm in die Verhandlungen reingehen, und dann werden wir anschließend sehen, was insgesamt herauskommt. Es nützt nichts, zu diesem Zeitpunkt irgendwelche einzelnen Themen abzufragen.

Wir können ja verstehen, daß Sie die Verhandlungen nicht über die Medien führen wollen. Trotzdem gibt es ja die Frage danach, wo die Grenze für Sie liegt. Was ist die Botschaft?

Die Botschaft ist nicht die Grenze, die Botschaft ist positiv. Die positive Botschaft lautet: Wir wollen einen neuen Aufbruch gegen die Arbeitslosigkeit, wir wollen eine Steuerreform, die tatsächlich untere und mittlere Einkommen entlastet. Wir wollen runter mit den Sozialversicherungsbeiträgen, wir wollen eine andere Energiepolitik. Wir wollen – das ist ganz wichtig für uns – noch in diesem Jahr ein demokratisches Staatsangehörigkeitsrecht. Das sind die positiven Botschaften, die von dieser Regierung ausgehen. Die muß handeln, die definiert sich nicht über Knackpunkte.

Aber es gibt Bereiche, in denen die SPD und Bündnis 90/Die Grünen schlicht nicht kompatibel sind. Zum Beispiel in der Rentenfrage: Die SPD will die Absenkung des Niveaus zurücknehmen, das die alte Regierung beschlossen hat. Sie wollen das nicht. Wie soll das gehen?

Ich glaube, daß die Unterschiede und Schwierigkeiten in den einzelnen Konzepten eher in den Bereichen liegen, die teilweise sehr nahe beieinander sind. Es nützt nichts, darüber zu spekulieren. Wir werden diese Koalitionsverhandlungen führen, und dann wird es in dem Gesamtpaket auch auf die Einzelfragen Antworten geben.

Was geschieht, wenn sich noch vor Abschluß der Koalitionsverhandlungen die Lage im Kosovo zuspitzt?

Auch das ist eine Frage, die wir dann gemeinsam zu lösen haben werden. Es zeigt sich, daß die Vereinten Nationen eine vernünftige Resolution hinbekommen haben, und das leichtfertige Agieren des amtierenden Bundesverteidigungsministers mit Luftangriffen ist ein permanentes Spiel mit dem Rechtsbruch. Wir stehen für außenpolitische Kontinuität, und das heißt Wahrung der internationalen Verträge und Beachtung des Völkerrechts.

Wo sehen Sie denn Konfliktstoff innerhalb Ihrer Partei?

Die Partei war in den letzten Wochen sehr, sehr geschlossen. Diese Gemeinsamkeit hat es uns erlaubt, den schwersten Wahlkampf durchzustehen, den die Grünen je hatten. Deswegen habe ich zur Zeit wenig Anlaß, mir Gedanken darüber zu machen, weil ich nicht sehe, wo Streitereien entstehen könnten.

Dann helfen wir Ihnen da. Die Grünen haben ja eine Frauenquote für alle Gremien der Partei beschlossen. Und die gilt nach Ansicht nicht weniger Mitglieder sinngemäß auch für Ministerämter. Wie meinen Sie, daß es ankäme, wenn mehr Ministerposten mit Männern als mit Frauen besetzt würden?

Wir werden auch für die Personalien ein Ergebnis der Koalitionsverhandlungen vorlegen, von dem wir annehmen, daß wir dafür auf einem Parteitag auch eine Mehrheit bekommen. Das setzt die Beachtung aller Regelungen, auch aller informellen Regelungen, voraus.

Glauben Sie eigentlich, daß es tatsächlich eine rot-grüne Bundesregierung geben wird?

Ich glaube, daß der Druck enorm ist und daß dieser Druck dazu führen wird, daß es sie geben wird. Und wenn es sie geben wird, dann wird es sie für vier Jahre geben. Da soll sich niemand vertun. Interview: Bettina Gaus, Bonn