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Feine Nase und sensibler Gaumen

■ Das Institut für Gärungslehre ist die bundesweit einzige Lehranstalt für Destillateursmeister. Hier werden zukünftige Schnapsbrenner in Drogenkunde, Mikrobiologie und Sinnesphysiologie ausgebildet

„Schnaps, das war sein letztes Wort, dann trugen ihn die Englein fort...“ So oder so ähnlich belächelt man im deutschen Liedgut den hochprozentigen Wirtschaftsfaktor. Dabei kann man in Deutschlands trinkfester Hauptstadt die einzige Ausbildung zum „Destillateurmeister“ machen, in der „Versuchs- und Lehranstalt für Spirituosenfabrikation und Fermentationstechnologie“.

Und am Institut für Gärungsgewerbe sitzen nicht etwa 20 Rotnasige um eine Feuerzangenbowle und prosten sich zu, sondern seit 1954 werden in größer werdenden Abständen meist männliche Prüflinge in Fächern wie „Drogenkunde“, „Mikrobiologie“, „Zollverkehrsfragen“ und „Sinnesphysiologie“ über Herstellung und Promillefragen unterrichtet. Ein Lehrgang geht über 200 Stunden, und zur „Freisprechung“ der Meister wurde bereits zum 25. Mal geladen, passenderweise in die steinerne Höhle der „Schenke“ in der Zitadelle Spandau.

Lustig prasselte ein Feuer unter Schweinefleisch, und an drei Tischen für Prüflinge, Prüfungskommission und Frauen der Prüfungskommissare schlürfte man Bier aus steinernen Krügen, um eine Basis für die kleinen, bitteren Fläschchen zu schaffen, die vom Vorsitzenden der Kommission mitgebracht wurden. Eine feine Nase und einen sensiblen Gaumen braucht der Superdestillateur natürlich erstens, des weiteren Körperkräfte – „Fässer rollen, Säcke schleppen“, murmeln die Lehrlinge – und Lust am eigenwilligen Geschmack von halbfertigen Fermentationsproben.

Erst drei Frauen haben seit 1954 die Prüfung in Berlin abgelegt, vielleicht hat die angebliche Vorliebe der Weiblichkeit fürs Eierlikörchen anstatt für den Magenbitter damit zu tun? Das behauptet die Dame am Frauentisch, die zwar keine Meisterprüfung, aber eine „vergleichbare Ausbildung“ in der ehemaligen DDR genossen hat. Frau Hirsch trinkt zu Hause auch mal französischen Wein und erzählt vom Verkosten inklusive Wiederausspucken noch vor 12 Uhr mittags. Bei der Verleihung der Meisterbriefe wird es gemütlich, man klopft sich gegenseitig auf die Schulter und beglückwünscht vor allem den Klassenbesten und jüngsten der Gruppe: erst 23 und schon Alkoholexperte!

Viele der Prüflinge kommen aus der Lebensmittel- und Getränkebranche, keiner scheint eine solche Ausbildung aus Lust am Zechen allein zu überstehen, gehören doch eher trockene Inhalte wie Fachrechnen, Qualitätskontrolle und -sicherung oder Betriebsabrechnung dazu, die Übersicht der Fächer liest sich wie eine Mischung aus soliden Betriebswirtschaftskenntnissen und feuchtfröhlichen Testprozeduren.

Die neuen Berufsschnapstester überlegen, ob sie der Destillateurmeistervereinigung beitreten sollen, einem illustren Club mit wenigen Mitgliedern, und füllen fleißig Formulare aus. Währenddessen erklärt der Pressesprecher, daß die Spiritisten „eigentlich eher wenig trinken“, läßt allerdings seine Definition von „wenig“ offen.

Die Prüfungskommission ist jedenfalls schon bester Laune und öffnet Flaschen mit durchsichtigem Klebrigem, es könnte sogar Selbstgebrannter sein. Denn das Institut für Gärungsgewerbe bildet nicht nur aus, sondern stellt selbst höchstinteressante und -prozentige Flüssigkeiten her: Rosenschnaps, Goldwasser, Teelikör im, vor und nach dem Tee, womit auch geklärt sein dürfte, woher der gleichlautende Spruch kommt. Es scheint nichts zu geben, woraus man keinen Schnaps gewinnen kann. Jenni Zylka

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