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Schadensbegrenzung in Teheran

■ Iran sieht keine neue Entscheidung im Falle des Todesurteils gegen den deutschen Geschäftsmann Hofer. Radikale Studenten setzen ein neues Kopfgeld auf Rushdie aus

Teheran/Bonn (dpa/rtr/AP) – Mit dem Festhalten an dem Todesurteil gegen den Deutschen Helmut Hofer und einem neuen Kopfgeld auf den britischen Schriftsteller Salman Rushdie hat der Iran am Wochenende erneut für negative Schlagzeilen gesorgt. Die Politik von Präsident Mohammed Chatami, sein Land vorsichtig aus der internationalen Isolation herauszuführen, ist damit in Frage gestellt. Zugleich spiegeln beide Fälle den scharfen innenpolitischen Konflikt zwischen Anhängern und Gegnern des Präsidenten wider.

Der scheidende deutsche Außenminister Klaus Kinkel äußerte nach der Bestätigung des Todesurteils sein „völliges Unverständnis“. Für die Regierung in Bonn kam das Urteil völlig unerwartet. Die beiden letzten Treffen Kinkels mit seinem iranischen Amtskollegen Kamal Charrasi in New York hatten den Anschein erweckt, daß es im Falle des 56jährigen Geschäftsmannes nicht zum Schlimmsten kommen werde.

Die Regierung in Teheran betrieb gestern zunächst einmal Schadensbegrenzung und widersprach Berichten, das Todesurteil sei durch ein iranisches Gericht bestätigt worden. Im Fall Hofer gebe es kein neues Urteil, zitierte Radio Teheran gestern den Sprecher des Außenministeriums, Mahmud Mohammadi. Die Tageszeitung Iran hatte zuvor berichtet, das Urteil vom Januar bleibe auch nach dem Revisionsverfahren weiter bestehen.

Radio Teheran berichtete, das Verfahren sei an das Oberste Gericht weitergeleitet worden, als Hofer gegen das Todesurteil in die Berufung ging. Dieses habe den Fall jedoch wegen bestimmter Probleme zunächst an die frühere Instanz zurückverwiesen. Nun seien die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß das Oberste Gericht befinde.

Hofer wird beschuldigt, mit einer unverheirateten, 27 Jahre alten muslimischen Studentin eine sexuelle Beziehung unterhalten zu haben. Darauf steht für einen Nichtmuslim im Iran die Todesstrafe. Nach Aussage Hofers unterhielt er indes eine rein freundschaftliche Beziehung zu der Frau. Der 1941 geborene Deutsche hat zudem erklärt, er sei schon vor Jahren zum Islam übergetreten, als er eine Türkin geheiratet habe. Von ihr ist er inzwischen geschieden.

Hofers Anwalt Malek-Huschang Kahhari sagte, sein Mandant werde nach dem Revisionsverfahren nun wie vorgeschrieben binnen 22 Tagen Berufung beim Obersten Gericht einlegen. Dieses werde das Urteil wahrscheinlich aufheben und den Fall an ein anderes Gericht verweisen.

Das britische Außenministerium kündigte gestern an, es werde die neue Todesdrohung gegen den Schriftsteller Salman Rushdie bei der iranischen Regierung zur Sprache bringen. Die Erklärung der Organisation habe jedoch eindeutig nicht die Unterstützung offizieller Stellen.

Wie die iranische Presse am Samstag berichtete, hat eine radikale iranische Studentenvereinigung ein zweites Kopfgeld auf Rushdie ausgesetzt. Zweieinhalb Wochen nachdem sich Präsident Mohammad Chatami von dem Mordaufruf gegen den Autor der „Satanischen Verse“ distanziert hatte, erklärte die Vereinigung der Hisbollah-Studenten in Teheran, sie wolle für den Tod Rushdies eine Milliarde Riyal (rund 540.000 Mark) zahlen. Zugleich protestierte die Organisation in einem Schreiben an Außenminister Kamal Charrasi gegen die faktische Aufhebung der Fatwa.

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