: Hauptstadtkabinett ade
■ Dem Regierenden Bürgermeister in Berlin laufen die SenatorInnen davon. Selbst vorgezogene Neuwahlen werden jetzt schon beschworen
Jetzt kann auch Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) seine Augen nicht mehr verschließen: Wenige Wochen nach der für die CDU verheerenden Wahlniederlage in Bonn bricht das Kabinett in der Hauptstadt auseinander. Der regierenden Großen Koalition laufen die SenatorInnen weg, die eine nach Bonn, der andere in den Ruhestand und noch einer ins benachbarte Land Brandenburg.
Eine Kabinettsumbildung steht der nur mühsam balancierten Partnerschaft von Christ- und SozialdemokratInnen in der Vier-Millionen-Stadt bevor. Aufgrund der schwierigen Verfassungslage aber – SenatorInnen müssen im Parlament eine Mehrheit finden – stehen selbst die Wahlen für Kabinetts-Nachfolger unter einem Fragezeichen. Vorgezogene Neuwahlen werden nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert.
Nicht nur in seinem Regierungsteam stehen dabei für Diepgen, der zugleich Landeschef der Christenunion ist, die Zeichen auf Sturm: In seiner eigenen Partei gleitet ihm die Kontrolle aus den Händen. Daß sein Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) das Schiff verlassen wollte, stand seit einem Jahr an, der Regierende indes wollte ihn nicht ziehen lassen. Doch auch die treuesten halten ihm jetzt nicht mehr die Stange – am Montag mußte Diepgen Pieroths Rücktritt verkünden. Kürzlich verjagte zudem Gesundheitssenatorin Beate Hübner (CDU) kurzerhand ihren ungeliebten Staatsekretär. Der parteiinterne konservative Zirkel „Union 2000“, der – durchaus mächtig – kontinuierlich am Stuhl des Landesvorsitzenden sägt, drängt auch auf Ablösung des Diepgen-Freundes und Verkehrssenators Jürgen Klemann (CDU). Daß nun sein Innensenator Jörg Schönbohm, mit dem Diepgen eine innerparteiliche von Konkurrenz geprägte Haßliebe verbindet, nach Brandenburg abwandern will, ist fast schon folgerichtig. Nachfolger für die bald vakanten Posten werden gesucht, Namen ventiliert, Lösungen indes sind noch in weiter Ferne. Wer will schon für ein knappes Jahr in einen Senat springen – zumal der CDU eine herbe Wahlniederlage im kommenden Jahr droht.
Koalitionspartner SPD kann nun feixen. Auf sicherem Posten wähnen sich die SozialdemokratInnen: Eine satte Mehrheit in Bonn, hervorragende Umfrageergebnisse in Berlin – und der SPD- Abgang im Senat spricht nicht von Schwäche, sondern von Stärke. SPD-Arbeitssenatorin Christine Bergmann winkt der Kabinettsposten für Frauen in Bonn. Der 12. November ist nun der Stichtag, dann soll das neue Senatsteam gewählt werden. Wenig Zeit für Eberhard Diepgen. Barbara Junge
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