Überrascht vom eigenen Erfolg

■ DVU und NPD verfehlten den Einzug ins Parlament von Mecklenburg-Vorpommern – ein erster Erfolg der Zivilgesellschaft?

Schwerin (taz) – Der eigene Erfolg erklärt sich eigentlich immer leicht. Mehr als zwei Wochen sind seit der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern vergangen. DVU, NPD und Republikaner verfehlten überraschend alle drei die 5 Prozent Hürde. Aber die Menschen, die vor der Wahl für entschiedenes Engagement gegen rechts standen, scheinen von ihrem Erfolg immer noch überrascht.

„Eine Party gab es bei uns nicht“, sagt Michael Rittmeyer, vom „Ratschlag gegen rechts“. Das, sagt er, „sollten wir vielleicht nachholen“. Rittmeyer vertrat seinen Arbeitgeber, die DGB-Jugend, beim „Ratschlag“, einem Netz von 40 Organisationen, dem neben Kirchen und Parteien auch unpolitische Vereine wie die Mecklenburger Amateurfunker angehören.

Jeder habe auf seine Weise versucht, „ein Klima zu schaffen, in dem rechte Parolen nicht auf fruchtbaren Boden fallen“. Und tatsächlich sieht es so aus, als hätten Hirtenbriefe, Infoabende und Nachbarschaftstreffen zum relativen Mißerfolg der Rechten beigetragen. „Im Gegensatz zu Sachsen- Anhalt ist es in Mecklenburg-Vorpommern gelungen, eine Barriere sozialer Unerwünschtheit zu errichten“, meint der Berliner Parteienforscher Richard Stöss.

Dabei hatte die DVU doch alles so gut vorbereitet. Hunderte von Plakaten („Weniger Geld ins Ausland. Mehr Geld nach Mecklenburg-Vorpommern“) aufgehängt, Post an alle Haushalte versandt und drei Monate vor der Wahl mit Fritz Nehls einen Landesvorsitzenden aufgestellt, der sich bürgerlich gibt. Alles wie in Sachsen-Anhalt, wo die DVU im April über 12 Prozent der Stimmen erzielte. Dieses Ergebnis wollte man am 27.September in Mecklenburg-Vorpommern, wo am gleichen Tag Bundes- und Landtag gewählt wurden, sogar noch steigern. „Unser Potential liegt bei 15 Prozent plus X“, glaubte Nehls. Nur 2,8 Prozent der Mecklenburger und Vorpommern haben dann tatsächlich DVU angekreuzt.

Während DVU und NPD Aktivisten aus ganz Deutschland im Mecklenburger Wahlkampf einsetzten, organisierten sich die Gegner fast ausschließlich auf lokaler Ebene. Argumentshilfe gegen die DVU gab es in den Medien. Besonders der Fernsehkanal des „Norddeutschen Rundfunks“ führte die Kandidaten der Landesliste vor. Im Schweriner Funkhaus hatte es bis zur Wahl Kontroversen gegeben, ob man die Rechten nicht geradezu „hochrede“. Das Wahlergebnis gab der NDR-Methode – ausführliche Berichterstattung ohne moralischen Zeigefinger – recht. Mußte die DVU medial entzaubert werden, erledigte die NPD dies selbst. In den letzten Tagen vor der Wahl marschierte die NPD martialisch in Rostock und Wolgast auf. Doch das Knallen der Springerstiefel auf dem Pflaster, das enorme Polizeiaufgebot und die „nationalistischen und sozialistischen“ Forderungen haben selbst viele rechte Sympathisanten verschreckt.

Welche Auswirkungen hat der gescheiterte Sprung ins Parlament für die Rechten an der Ostseeküste langfristig? Die „Republikaner“, in Westdeutschland immer noch Marktführer in Sachen Rechts, bleiben bedeutungslos. Die DVU, zum Jahresanfang in Mecklenburg praktisch noch nicht existent, organisiert heute in sieben Kreisverbänden 200 Mitglieder, schätzt der Verfassungsschutz. „Ich glaube aber nicht, daß die DVU diesen Aufschwung halten kann“, sagt Michael Flenke von der Behörde. Aussichtsreicher schätzt der Verfassungsschützer da die Chancen der NPD, im Nordosten Strukturen zu verfestigen. „Die NPD ist dort stark, wo eine rechte Jugendszene dominiert.“ Das ist vor allem im östlichen Landesteil, in Vorpommern, der Fall. „Hier gibt es eine rechte Subkultur. Eine richtige Bewegung“, warnt Verfassungsschützer Flenke. Die NPD versuchte im Wahlkampf vor allem über Skinhead- und Liedermacherkonzerte, sich diese Kreise zu erschließen. Wie weit ihr das gelungen ist, mag man auch beim Verfassungsschutz heute noch nicht beurteilen. Robin Alexander