: Junge Eltern bekommen Recht auf Teilzeitjob
■ Rot-Grün will regeln, was bislang im Belieben der Arbeitgeber steht: Statt Erziehungsurlaub zu nehmen, können beide Eltern dann ihre Arbeitszeit reduzieren
Berlin (taz) – SPD und Grüne wollen Müttern und Vätern während eines sogenannten Elternurlaubs „Rechtsanspruch auf Teilzeit“ gewähren. Dies erklärte die voraussichtliche Bundesfrauenministerin Christine Bergmann (SPD) gestern in Bonn nach Abschluß der Koalitionsverhandlungen zum Komplex „Arbeit und Soziales“.
Im bisherigen Modell des Erziehungsurlaubs können Mütter und Väter dagegen nur einen Teilzeitjob übernehmen, falls der Arbeitgeber dies ermöglicht. Einen Anspruch gibt es nicht. Insgesamt nehmen pro Jahr zur Zeit knapp 400.000 Frauen Erziehungsurlaub.
Christine Bergmann und die Vorstandssprecherin der Bündnisgrünen, Gunda Röstel, ließen gestern offen, ob der geplante Anspruch auf Teilzeitarbeit von bisher drei auf sechs oder gar acht Lebensjahre eines Kindes ausgedehnt werden soll. Dies sehen Gesetzentwürfe der grünen Bundestagsfraktion und des nordrhein-westfälischen Frauenministeriums vor. Der Entwurf aus Düsseldorf war im Frühjahr im Bundesrat auf Eis gelegt worden, als sich abzeichnete, daß er unter den von der SPD geführten Wirtschaftsministerien keine Mehrheit finden würde. Begründung: Elterninteressen sollten nicht vor die Interessen der Betriebe gestellt werden.
Die Erwartung, daß Mütter und Väter künftig ihren maßgeschneiderten Wunsch-Teilzeitjob beim Arbeitgeber einfordern könnten, muß jedoch gedämpft werden. „Ein Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit wird lediglich das Stundenvolumen betreffen“, erwartet der Berliner Arbeitszeitberater Michael Weidinger. „Die Lage und Verteilung der Arbeitszeit hingegen kann nur betrieblich geregelt werden, denn alles andere wäre nicht praktikabel.“
Der Elternurlaub, der nun den Erziehungsurlaub ablösen soll, kann von beiden Elternteilen gleichzeitig in Anspruch genommen werden. Das versprochene Recht auf Teilzeit beschränkt sich in diesem Fall nur auf die Dauer des Elternurlaubes. Für die Zeit danach erklärte Röstel gegenüber der taz: „Wir werden generell Teilzeitregelungen befördern.“
Darüber hinaus wollen rote und grüne Frauenpolitikerinnen eine Forderung einlösen, die die CDU-Frauenministerin Claudia Nolte nicht durchsetzen konnte: Die seit 1986 nicht mehr veränderten Einkommensgrenzen beim Erziehungsgeld sollen angehoben werden. Dadurch, so Bergmann, bekämen derzeit statt anfangs neun von zehn nur noch vier von zehn Familien diese finanzielle Hilfe. Bergmann sagte, es sei mit Kosten von rund einer Milliarde Mark zu rechnen, wenn die Einkommensgrenzen beim Erziehungsgeld so erhöht würden, daß sechs von zehn Familien davon profitierten. Sie erklärte jedoch nicht, aus welchem Topf sie diese zusätzliche Milliarde nehmen will.
Nur für die weitere Erhöhung des Kindergeldes im Jahr 2002 benannte sie eine klare Gegenfinanzierung: Ab diesem Jahr soll das die „Hausfrauenehe“ steuerlich begünstigende Ehegattensplitting bei GroßverdienerInnen gekappt werden. Auf diese Weise können 1,8 Milliarden Mark für das erhöhte Kindergeld frei werden.
Noch mit drei weiteren frauenpolitischen Neuerungen konnte Bergmann aufwarten: Erstens soll Frauen mehr Schutz vor Gewalt gewährt werden, indem mißhandelte Frauen gesetzlich einen Anspruch auf die Familienwohnung bekommen. Außerdem soll das Gleichstellungsgesetz nicht nur für Behörden, sondern auch für die Privatwirtschaft gelten. Gunda Röstel: „Wir wollen, daß öffentliche Aufträge dann unter anderem an Frauenförderung gekoppelt werden.“ Des weiteren sollen Asylbewerberinnen, die in ihrem Heimatland nachweisbar aus geschlechtsspezifischen Gründen verfolgt werden, künftig in der Bundesrepublik ein Recht auf Asyl bekommen. Dies betrifft Frauen, denen sexuelle Verstümmelungen, beschönigend „Beschneidung“ genannt, drohen.
Mit diesen Vereinbarungen zur Sozial- und Familienpolitik waren die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Bündnisgrünen am Samstag zu Ende gegangen. Heute wollen beide Parteien das Gesamtpaket in einer Schlußsitzung billigen. Dabei soll auch endgültig über die Besetzung der Ministerien entschieden werden. Barbara Debus Weitere Berichte zu den
Koalitionsvereinbarungen Seiten 2 bis 5
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