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Eine Powerfrau, die alles will

Am Montag wählt der Bundestag sein Präsidium. Die PDS-Fraktion stellt eine Vizepräsidentin, die sich auch auf anderen Bühnen zu Hause fühlt. Petra Bläss ist voller Tatendrang  ■ Von Kerstin Willers

Berlin (taz) – Petra Bläss hat gern die Fäden in der Hand. Die 34jährige Literaturwissenschaftlerin läßt Pippi Langstrumpf in Kindergärten tanzen; ihre Marionetten Claudine, Angelina und Kolonis von Oggersheim stolpern durch die weite Welt – in Kabarettstücken und auf den Festen der PDS, für die sie seit acht Jahren im Bundestag sitzt. Bald wird sie auch dort die Fäden ziehen, als Vertreterin des zweithöchsten Mannes im Staat. Die PDS hat Petra Bläss für das Amt einer Bundestagsvizepräsidentin nominiert. Dank der Stimmen von SPD und Grünen gilt ihre Wahl als sicher, obwohl die CDU/ CSU-Fraktion sie durch Geschäftsordnungstricks zu verhindern versucht.

Den Aufstieg sieht Bläss mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Er ist für sie Chance, aber auch Verzicht. „Meine größte Schwäche ist, immer alles machen zu wollen“, sagt sie. Alles, das war im Bundestag zuletzt ihre Arbeit in den Ausschüssen für Sozial- und Frauenpolitik, die parteiübergreifend geschätzt wurde. „Daran hängt mein Herzblut, immer noch.“ Nun warten ernüchternde Aufgaben: Petra Bläss muß künftig die Einhaltung der Geschäftsordnung überwachen und Redner zur Sache rufen. „Aber ich bin ja nicht weg vom Fenster“, schießt sie schnell hinterher.

Mit Petra Bläss, Spitzenkandidatin der PDS in Sachsen-Anhalt, steigt ein Energiebündel auf das Podium des Bundestags. Sie spricht schnell und viel und mit mehr als nur dem Mund – ihre Hände malen, die Augen funkeln, das kecke Kurzhaar fliegt. Der Gemüseauflauf, kaum eines Blickes gewürdigt, wird kalt. „Wieder keine Zeit zum Essen“, sagt die zierliche Frau – anderes ist wichtiger. Im neuen Amt will sich Petra Bläss dafür einsetzen, daß der „Umgang mit Ostdeutschen“ normaler wird. „Acht Jahre ist die Einheit her, und immer noch heißt es: ,Oh, schau mal, die Ostdeutschen! Gerade aus dem Zoo entlassen, dürfen sie jetzt auch mal ran.‘ Davon habe ich echt die Schnauze voll.“ Außerdem soll Politik wieder attraktiver für die Jugendlichen werden: „Zum Beispiel sollen Schulklassen Abgeordnete beraten, dann können die Generationen wieder zueinander finden.“

Sich für solche Projekte stark machen, das sieht Petra Bläss als Kür in ihrem neuen Job. Die Pflicht, das sei die unbedingte Neutralität, die sie im Bundestagspräsidium an den Tag legen muß. „Immer neutral zu sein, das ist manchmal sauschwer“, weiß sie aus Erfahrung. Im Frühjahr 1990 leitete Petra Bläss – damals 25 Jahre alt – die ersten freien Volkskammer- und Kommunalwahlen in der DDR. Heute steht sie als Vertreterin der PDS, in die sie erst Anfang letzten Jahres eintrat, in einer besonderen Verantwortung. „Ich werde fünfmal schärfer beobachtet werden als die anderen.“ Die PDS hat keinen leichten Stand im Parlament. Manchem Ost-Politiker bereiten die antikommunistischen Strömungen im Bundestag, die übermäßigen Störungen und Beschimpfungen Bauchschmerzen. Nicht Petra Bläss. „Von diesen CDU/CSU-Hinterbänklern lass' ich mich nicht ins Bockshorn jagen“, sagt sie kämpferisch. Und nachdenklich fügt sie hinzu: „Richtig weh tut mir etwas anderes.“

Petra Bläss, die sich als „Powerfrau“ und „knallharte Feministin“ versteht, ist überzeugt, daß Frauen „eine andere Politik“ machen können als Männer – eine ohne „parteiliche Machtspielchen“. Wenn Politikerinnen mit diesem Anspruch in männliche Muster zurückfallen, ist sie enttäuscht. Wie im Frühjahr, als ein überparteiliches Frauenbündnis für einen neuen Gesellschaftsvertrag stritt, PDS-Frauen aber nicht mit unterschreiben sollten. „Einige Politikerinnen, auch von SPD und Grünen, tun so, als ob es die PDS-Frauen nicht gäbe.“ Petra Bläss hingegen setzt auf überparteiliche und außerparlamentarische Zusammenarbeit. Eine Strippenzieherin im klassischen politischen Sinn will sie aber nicht sein. „Ich bin eine Strippenzieherin, die Netze knüpft; kein berechnender Machtmensch“, erklärt sie. Besonders wichtig sind ihr Seilschaften mit „Basisfrauen“ wie von der Bitterfelder Fraueninitiative, die alternative Arbeitsplätze schafft. „Von solchen Frauen kann Politik profitieren.“

Profitieren von Petra Bläss soll der Bundestag, hofft ihre Partei. An Nervosität wird die prominente Genossin jedenfalls nicht scheitern: „Lampenfieber habe ich keins, da pocht genug Theaterblut in mir.“ Petra Bläss kennt öffentliche Auftritte von klein auf: Ihr Vater war Theaterintendant, ihre Mutter Souffleuse, ihre Schwester ist Schauspielerin. Auf Petra Bläss' Auftritte darf man gespannt sein – auch im Rampenlicht ganz oben auf der politischen Bühne.

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