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Sexisten-Hatz an der Universität?

■ Spanisch-Dozent mußte sich gegen Sexismus-Vorwürfe wehren: Studentinnen hatten Ausschnitte aus Filmklassikern und Weltliteratur als „sexistische Darstellung“ moniert

Mit welchem Material können DozentInnen der Bremer Universität künftig lehren, ohne handfeste Sexismus-Vorwürfe und peinliche Untersuchungen zu riskieren? Diese Frage verunsichert Lehrende besonders im Fachbereich 10, Sprach- und Literaturwissenschaften. Dort soll ein bislang an die Uni abgeordneter Spanischlehrer sein Lehrmaterial auf sexistische Ausschnitte fokussiert haben. „Konfrontative oder provozierende Präsentation pornographischer/sexistischer Darstellungen“ aber sind nach einer Antidiskriminierungs-Richtlinie verboten. „Acht Studentinnen sollen sich beschwert haben“, sagt der Betroffene, der die Anschuldigung zurückweist.

Stein sittlichen Anstoßes und Anlaß für drei Gespräche mit Vorgesetzten war unter anderem folgender (hier übersetzter, d. Red.), aus einem längeren Übungstext; zur Verbendeklination vorgelegter Satz: „Lisardos Hand befand sich unter Vanesas Minirock und streichelte ihren Hintern.“ Der Text stammt aus der Feder des spanischen Romanciers Juan Madrid „und eignet sich, um Umgangssprache zu lernen“, so der Dozent. Doch auch Filmausschnitte, als „Hörverstehensübung“ gezeigt, wurden beanstandet: Bilder von einer Vergewaltigung und von einer gynäkologischen Untersuchung.

Die Ermittlungen über all das leitete die „Arbeitsstelle gegen Sexuelle Diskriminierung und Gewalt am Ausbildungs- und Arbeitsplatz“ (ADE) (s. Kasten). Für eine Stellungnahme gegenüber der taz verweist sie an die Unipressestelle. Dort heißt es, „wir wissen nichts.“ Dabei hat der Fall eine Solidarisierungswelle ausgelöst. „Innerhalb von zwei Tagen wurden 80 Unterschriften gesammelt“, sagt Professor Martin Franzbach. Studierende bezeugten, vom Sexismus des Dozenten in den Seminaren nichts bemerkt zu haben. Einzelne, wie Melanie Meirich, erinnern sich aber wohl an den Zwischenruf einer Studentin, während der Film des mexikanischen Filmemachers Arturo Ripstein gezeigt wurde; eine freie Verfilmung der Kleist-Novelle „Die Verlobung von Santo Domingo“. „Die hat bei einer angedeuteten Vergewaltigungsszene gerufen: 'Sowas will ich hier nicht sehen'“. Nach einer Diskussion habe sie den Raum verlassen; „wir anderen wollten weitersehen“.

Rätselhaft bleibt für Dozent und StudentInnen, wer sich aber über eine „gynäkologische Untersuchung“ im Film der spanischen Feministin Pilar Miró beklagt haben könnte – und warum. Bei ihm habe sich niemand beschwert, sagt der Betroffene, der hinter all dem „Mobbing“ vermutet. Mirós Film zeigt nur andeutungsweise die Unterleibsuntersuchung einer Frau – unter grünem Operationstuch, mit Ultraschall-Bildschirm und einem kurz bis zum Oberschenkel ent-blößtem Bein.

„Daß ausgerechnet an einer Hochschule die spanische Umgangssprache einer wirklichkeitsfremden Zensur unterworfen werden soll“, kritisiert der Deutsche Spanischlehrerverband beim Rektor der Universität als „fachlich antiquiert“. „Das erotische Element ist im Spanischen viel stärker als im Deutschen Bestandteil der Umgangssprache.“ Der Rektor hat gegenüber dem beschuldigten Lehrer die Sache für erledigt erklärt – da er annehme, daß die Gespräche zu dessen „Sensibilisierung für Beschwerden“ beigetragen hätten und daß dieser sein Material künftig so auswähle, daß kein Anlaß zu Beschwerden bestehe. Gegen die Ernsthaftigkeit der Beschuldigungen spreche auch nicht die Unterschriftenliste von StudentInnen; die Wahrnehmung einer bestimmten Situation könne schließlich individuell unterschiedlich ausfallen.

Der Beschuldigte hat auch seine eigene Sicht: In einem Offenen Brief an den Fachbereich nennt er die Untersuchungen gegen sich „einen Frontalangriff auf die Freiheit der Lehre und eine ständige Bedrohung der Integrität Lehrender.“ ede

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