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"Nicht genug Druck gemacht"

■ Schleswig-Holsteins bündnisgrüner Umweltminister Steenblock fordert nach "Pallas"-Havarie neues Sicherheitskonzept. "Früheres Eingreifen auch gegen den Willen des Kapitäns muß möglich sein"

taz: Herr Steenblock, die Vorwürfe gegen Sie nach der Havarie der „Pallas“ reichen von „absolutem Versagen“ bis zu „unprofessionellem Krisenmanagement“. Sind Sie überfordert?

Rainder Steenblock: Diese Kritik akzeptiere ich nicht. Wir haben als Land vornehmlich unsere Aufgabe, das Öl zu bekämpfen, vernünftig wahrgenommen.

Wie erklären Sie dann die Umweltkatastrophe im Wattenmeer?

Der Einsatzleitgruppe wird vorgeworfen, sie hätte das Schiff in der Deutschen Bucht treiben lassen, und nichts sei passiert. Das ist wirklich Unfug. Die Seeleute haben unter Einsatz ihres Lebens bei Windstärke zehn versucht, den Schleppper wegzuziehen.

Ein Schiffsbrand gilt als nichts Außergewöhnliches.

Es gab Zeiträume, wo die Gefahr in ihrer ganzen Breite nicht erkannt worden ist. Dennoch wurde alles dafür getan, das Schiff von den Küsten fernzuhalten. Aber wegen der schlechten Wetterverhältnisse war das nicht möglich.

Offenbar haben Sie auf die falschen Schiffe gesetzt. Die Deutsche Bucht ist einer der am meisten befahrenen Seewege in Europa. Warum gibt es nur einen zugkräftigen Hochseeschleppper, der im Zweifel nicht zur Verfügung steht?

Ich habe nie auf den falschen Schlepper gesetzt. Es gibt seit Jahren einen Streit zwischen uns und dem Bund, ob wir zusätzlich zu den Bundesschiffen „Mellum“ und „Neuwerk“ noch einen Hochseeschlepper brauchen. Die Bundesregierung hat das bisher immer bestritten; deshalb sind die Verträge mit der „Oceanic“ zum Teil nur wochenweise verlängert worden.

Das klingt, als fühlten Sie sich im Stich gelassen. Wer hat denn sonst noch versagt? Der Bundesverkehrsminister, die Wasser- und Schiffahrtsdirektion, die Ministerpräsidentin?

Ich will das nicht personalisieren. Ich habe dem früheren Bundesverkehrsminister Wissmann (CDU) oft gesagt, daß wir die „Oceanic“ brauchen, und das auch seinem Amtsnachfolger Müntefering (SPD) geschrieben. Ich bin nicht zufrieden, daß auch von der neuen Bundesregierung der Chartervertrag bis April begrenzt werden soll.

Was fordern Sie?

Wir brauchen ein neues Sicherheitskonzept. Dazu gehört eine ständige Bereitschaft des Schleppers auf See.

Dabei könnte ein deutliches Wort vom grünen Umweltminister Trittin nicht schaden.

Seine parlamentarische Staatssekretärin Gila Altmann hat signalisiert, daß sie sich massiv dafür einsetzen wird. Nächste Woche auf der Umweltministerkonferenz werde auch ich diese Forderung deutlich erheben.

Wann erfuhren Sie, daß die „Pallas“ nicht mehr zu retten war?

Das war am vergangenen Wochenende, als die letzten Bergungsversuche, die ja noch unter der Regie des Eigners stattfanden, gescheitert sind.

Aus Kabinettskreisen haben wir erfahren, daß Ihnen bereits seit Ende Oktober bekannt war, daß die „Pallas“ nicht zu retten sei. Warum haben Sie auf den Krisenstab des Innenministeriums verzichtet?

Ende Oktober ist natürlich völliger Käse. Da trieb das Schiff noch auf hoher See. Die Gespräche mit dem Innenministerium hat es erst Anfang dieser Woche gegeben.

Dennoch hinderte Sie nichts daran, frühzeitiger und ohne Rücksicht auf den Schiffseigner tätig zu werden. Das internationale Bergungsabkommen gibt Ihnen das Recht dazu. Statt dessen verhandelten Sie wochenlang glücklos mit dem Reeder.

Der Reeder hat irgendwann das Schiff zum Wrack erklärt. Damit ist er von allen Pflichten frei, und dann müssen Bund und Länder allein handeln. Ich bin dafür, daß wir innerhalb unseres Sicherheitskonzepts unsere Interventionsmöglichkeiten deutlich straffen und so gestalten, daß wir zur Gefahrenabwehr früher eingreifen können – auch gegen den Willen des Kapitäns. Aber dafür brauchen wir eine professionelle Einsatzgruppe, und die muß erst aufgebaut werden.

Der Bedarf dafür ist bereits seit Jahren bekannt.

Sie können mir vorwerfen, ich hätte im Bund nicht ausreichend Druck gemacht. Diese Schuld nehme ich auf mich.

Welche persönlichen Konsequenzen ziehen Sie?

Ich ziehe daraus natürlich die Konsequenz, daß man immer noch besser werden muß, als man ist. Interview: Heike Haarhoff

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