: Koalition mit "Bild"-Zeitung?
■ Das Boulevardblatt war "immer dabei", als SPD und Grüne die Regierung bildeten, sagt die grüne Bundesgeschäftsführerin Heide Rühle
taz: Letzte Woche behaupteten Sie auf dem Landesparteitag Ihrer Partei in Baden-Württemberg, die „Bild“-Zeitung habe bei den Koalitionsverhandlungen in Bonn immer mit am Tisch gesessen. Heißt das, die starken Männer der deutschen Sozialdemokratie haben Angst vor bösen Schlagzeilen?
Heide Rühle: Diesen Eindruck mußte man bei den Koalitionsverhandlungen haben. Die Schlagzeilen von Bild haben die Bereitschaft der SPD zu Kompromissen und so auch die Entscheidungen der Koalitionsgespräche mitbestimmt. Gerhard Schröder hat sich hinter der Bild-Zeitung geradezu versteckt und verschanzt. Die sechs Pfennige, die ein Liter Benzin laut Gerhard Schröder höchstens teurer werden darf, waren erst unverrückbar, nachdem sie zum ersten Mal in einer Bild-Schlagzeile auftauchten. Aber auch bei der Drogenpolitik, bei schwulen Lebensgemeinschaften und anderen Themen hat Gerhard Schröder explizit auf Bild verwiesen und dann gesagt: Das können wir nicht vermitteln.
Hätten Sie den Genossen denn ein bißchen mehr Schneid zugetraut?
Ich verstehe diese Angst der SPD bis zu einem gewissen Grad. Bild-Leser sind ein großer Teil der Wählerschaft der SPD. Die Frage ist nur: Versuche ich, diese Wähler zu überzeugen, oder benutze ich sie als Drohmittel?
Vielleicht hat ja Schröder auch nur mit der „Bild“-Zeitung gedroht, um Ihre Partei gefügig zu machen?
Diese Drohkulisse taugt nicht. Man kann sogar die Bild-Zeitung überzeugen. Ein schönes Beispiel war doch, als in den Koalitionsverhandlungen die Änderung des Staatsbürgerschaftsrechtes beschlossen wurde. Da hat Bild getitelt: „Willkommen in Deutschland!“ Und das in türkischer Sprache.
Sie meinen, „Bild“ könnte RotGrün irgendwann einmal richtig gut finden?
Die Bild-Zeitung macht ja einen Prozeß durch. Noch vor fünf Jahren wäre so eine Schlagzeile nicht möglich gewesen.
Ist denn Gerhard Schröders Hoffnung aufgegangen, daß RotGrün in „Bild“ weniger gescholten wird?
Ach, das ist doch eine Illusion. Die Bild-Zeitung gehört eindeutig zum rechten Pressespektrum, und hier spielt sie eine ganz bestimmte Rolle. Allerdings muß ich sagen, bisher ist der Umgangsstil sehr erträglich. Kein Vergleich zum Wechsel von 1969, als es in der Bild noch ganz anders abging.
Nach dem Fünf-Mark-Beschluß hat aber doch auch Ihre Partei gelernt, die Medien zu fürchten?
Die künftigen Parteiprogramme werden wir in Zukunft sehr viel stärker im Hinblick auf die öffentliche Akzeptanz schreiben. Die gesellschaftlichen Zielvorstellungen der Partei werden wir hingegen in einem Grundsatzprogramm deutlich machen.
Also das Wahlprogramm mit Blick auf die Schlagzeilen, das Grundsatzprogramm für die Basis?
Richtig.
Hätten Sie nicht auch manchmal gern eine Zeitung, mit der Sie drohen könnten?
Nein, das wäre ein Fehler. Kritik an der Koalition – und zwar von links – ist das Beste, was uns passieren kann. Damit zeigen wir der SPD: Es gibt in diesem Land Menschen, die auf Veränderungen hoffen. Wir sind nicht allein. Interview: Robin Alexander
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