piwik no script img

Dann singt Nina Hagen am Sterbebett ein Ave Maria

■ Für die Doku „Leben für den Tod“ begleitet die Kamera Sterbebegleiter (22.00 Uhr, WDR)

Ein Film übers Sterben, der bisweilen zum Schmunzeln anregt? Das ist in etwa so, als ob Nina Hagen in einem Hospiz auftreten würde. In Dieter Zeppenfelds anrührigem Dokumentarfilm „Leben für den Tod“ tut sie es tatsächlich.

Doch zuvor sehen wir erst einmal Hans Nellen, einen ehemaligen Uhrmachermeister aus Köln, zahnlos, renitent, mit viel senilem Humor und einer piepsigen Stimme. Wir sehen slapstickreife Szenen mit ihm an der Kaffeetafel. Dann singt er in sopranösen Höhen die Hymne seiner Stadt „Ich möcht zo Fuß naach Kölle jonn“; und Hospizleiter Jo Brombach brummbaßt mit ihm, bis alle jubeln. Von wegen „Sterbensangst“ – im Hospiz der Eheleute Brombach im rheinischen Lohmar wird gefeiert.

Tod, Nähe, Angst und Lustigsein – das alles, sagt Sibylle Brombach, passe doch „sehr gut zusammen“. Das Hospiz habe sie gemeinsam mit ihrem Mann Jo gegründet, weil sie „so gern“ mit Kranken und Sterbenden zusammen sei: „Ich kann da so viel lernen. Da ist diese ganz große Ehrlichkeit. Alles ist so echt. Da fällt so viel vom Spiel des Lebens ab.“ Sie selbst, erzählt Sibylle Brombach, habe einmal vier Jahre lang im Krankenhaus gelegen; seitdem wisse sie genau, wann wer was braucht. Dafür reiche oft schon eine ganz kleine Geste. Das Gefühl dafür, sagt Sibylle Brombach dann, „sitzt in den Zellen, das löscht sich nicht“.

Mit Leichtigkeit und ohne Pathos begleitet der Film die Sterbebegleiter. Sybille Brombach berichtet von der großen Frage aller ihrer Mitwohner im Hospiz: „Wie geht das? Wie macht man das dann am Ende?“ Dann gebe sie allen zur Antowrt, es sei doch so leicht: „Noch einmal ausatmen – und dann in eine andere Welt.“ Und Ehemann Jo Brombach weiß hinzuzufügen, daß jene Menschen, die auch im alltäglichen Leben das Loslassen gelernt hätten, letztlich leichter sterben als religiöse Menschen.

Dann hat der liebe Hans Nellen plötzlich einen Schlaganfall. Und Nina Hagen, eine Freundin der Brombachs, ist gerade zufällig zu Besuch, weil sie am Vorabend in Köln bei Harald Schmidt zu Gast war. So singt die Nina für den Uhrmachermeister a.D. am Sterbebett – solo, schön schief, aber echt – ein „Ave Maria“. Wahrscheinlich hat Hans Nellen dabei gelächelt, aber das konnte keine Kamera sehen, höchstens Sybille Brombach. In der darauffolgenden Nacht hat es Hans Nellen geschafft. Bernd Müllender

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen