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Berlin und Timbuktu

Mit einer fulminanten Medienschelte bedankt sich Umberto Eco an der Freien Universität für seinen 25. Ehrendoktor  ■ Aus Berlin Ralph Bollmann

Wieder einmal wurde die Theorie von der Praxis eingeholt. Über „Universität und Massenmedien“ dozierte Umberto Eco am Montag abend an der Freien Universität, und jedesmal, wenn der Universitätsprofessor seinen Blick vom Redemanuskript löste, ließen die Medienvertreter ein Blitzlichtgewitter auf ihn niedergehen – bis der Meister ein Machtwort sprach: „Ich mache hier meine Arbeit, und Sie haben jetzt frei, bitte.“

Eco sprach also aus eigener Erfahrung, wenn er in schwer verständlichem Italo-Englisch das Klischee von der Hochschule als weltabgewandtem Elfenbeinturm ins Reich der Legende verwies. Es war ein Medienereignis ersten Ranges, als die FU den 24 Ehrendoktortiteln des Bologneser Semiotikers einen weiteren hinzufügte. Selbst das Boulevardblatt B.Z., sonst am Berliner Universitätsleben nicht eben interessiert, schusterte aus ein paar Bonmots des Meisters während einer improvisierten Pressekonferenz gleich ein ganzes Interview zusammen. Auch die halbe FU war auf den Beinen, der größte Hörsaal bis auf den letzten Platz besetzt, eine Übertragung in einen anderen Raum nötig.

Eine direkte Kommunikation wie auf der griechischen Agora sei also zwischen Professor und Studenten nicht immer möglich, stellte Eco fest. Damit steuerte er elegant von der Praxis der überfüllten Hochschulen auf seine These zu, die „Grenze zwischen Universität und Massenmedien“ sei „weit weniger klar, als man denkt“.

Schön akademisch in zehn Punkte gegliedert, zeichnete Eco eine Chronik der „liaison dangereuse“ zwischen den beiden Polen: von der kritischen Medientheorie über die universitäre Journalistenausbildung bis hin zu Professoren, die die Massenmedien gegen mißliebige Fachkollegen in Stellung bringen – und beispielsweise die längst bekannte NS-Verstrickung Martin Heideggers erneut lancieren. In dieser Sicht ist der Medienbetrieb mit seinem kurzen Gedächtnis nur ein willenloses, weil unwissendes Werkzeug: Daß manch ein Professor zwar Heidegger sagt, aber seine wissenschaftlichen Intimfeinde von heute meint, sei manchem Journalisten, glaubt Eco, oft gar nicht bewußt.

Überhaupt gefiel sich Eco in der Pose akademischer Gelassenheit gegenüber den medialen Aufgeregtheiten. Wenn die heimischen Gazetten etwa pünktlich zu jedem Semesterbeginn kurzatmig die „Krise der italienischen Universität“ beklagen, kann der Universalgelehrte nur feststellen: „Diese Krise ist 800 Jahre alt.“ Solch ein kritisches Bewußtsein, das zur rechten Einordnung der medial vermittelten Fakten erst befähigt, könne allein die Universität vermitteln. „Die Studenten kommen in unsere Vorlesungen“, glaubt Eco, „weil sie dort etwas erwarten, was es in den Medien nicht gibt.“ Gerade aus Ecos Mund klingt die Medienschelte jedoch ein wenig bigott. Nicht nur, weil Eco selbst ein Medienphänomen ist, sondern auch, weil er seine eigene Karriere als Journalist begann – und noch heute bei passender Gelegenheit gern seinen Presseausweis zieht. Seine wache Beobachtungsgabe hätte ihm auch in dieser Branche Erfolg beschert.

In Ecos erstem Roman, dem Bestseller „Der Name der Rose“, rät der alte Mönch seinem Schützling, „die Zeichen zu lesen, mit denen die Welt zu uns spricht wie ein großes Buch“. Das hat Eco immer getan und gleich eine ganze Wissenschaft daraus gemacht: die Semiotik, die Lehre von den Zeichen.

Die Frage, was ihm sein 25. Ehrendoktortitel aus Berlin nun bedeute, beantwortete der Experte für Bedeutungen knapp: „Lieber Berlin als Timbuktu.“

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