: Eher in Shanghai
Fahrrad-Rikscha-Dienst will in der Adventszeit erste Runden um die Alster, in der Speicherstadt und am Hafen drehen ■ Von Heike Dierbach
Das Handgepäck wird unter dem Sitz verstaut, Michael Erfurt tritt in die Pedale, und los geht's. Sanft ruckelt die Rikscha durch die Einfahrt zum Park, und schon streicht der Fahrtwind um die Ohren. „Im Winter kann man mit Decke fahren“, ruft Erfurt von vorne, „wie im Schlitten.“ Der 39jährige plant zusammen mit seinem Kompagnon Lothar Kulle die Eröffnung eines Fahrrad-Rikscha-Dienstes in Hamburg. Zur Adventszeit hofft er, die ersten Touren durch die Innenstadt anbieten zu können.
Die Idee importierte der passionierte Radfahrer, der derzeit als Filmvorführer arbeitet, aus Berlin, Münster und Frankfurt, wo es bereist seit längerem Rikscha-Dienste gibt. Doch in Hamburg wollte die Innenbehörde im Dezember vorigen Jahres nichts von seiner Idee wissen, berichtet Erfurt. „Die meinten, das passe doch eher nach Shanghai.“ Aber als Kuli will Michael Erfurt sich auf keinen Fall bezeichnen. „Ich sehe es eher als Fun-Sportart.“ Und als im Laufe dieses Jahres sämtliche Parteien der Bürgerschaft Interesse bekundeten, ließen sich auch die Beamten überzeugen. Für die erforderliche Ausnahmegenehmigung zur „Beförderung von Erwachsenen mit dem Fahrrad“ wird der Verkehrsausschuß der Bürgerschaft heute vermutlich grünes Licht geben.
Vier 1,25 breite und 2,80 Meter lange Dreiräder will Erfurt zunächst mit seinem „Hanse-Mobil-Dreiraddienst“ rund um die Alster, in der Speicherstadt und am Hafen einsetzen. Der Markt ist da, ist er überzeugt. „Wir wenden uns hauptsächlich an Touristen“, erläutert er, „aber in Berlin werden die Räder auch oft für Hochzeiten oder ähnliches gebucht oder als Geschenk-Idee.“
Königlich gleitet die Rikscha nun lautlos die Park-Allee entlang – man ist versucht, den PassantInnen mit dem Handschuh zuzuwinken. 15 Mark wird eine 30minütige Tour pro Person voraussichtlich kosten. Da sich der Dienst allerdings nicht allein über den Fahrpreis tragen kann, sucht Erfurt derzeit noch Sponsoren – „in Berlin ist das zum Beispiel eine Mineralwasser-Firma“.
Doch die Arbeit soll keine Schinderei werden, betont er. Da die KundInnen ja auch etwas sehen wollen, werden die Rikschas nur etwa doppelte Fußgängergeschwindigkeit fahren. Zudem sind sie mit leistungsfähigen Gangschaltungen ausgestattet. „In unserem Bekanntenkreis haben schon rund zehn Leute Interesse signalisiert zu fahren“, so Erfurt. Die ChauffeurInnen zahlen einen monatlichen Mietpreis und können dann die Einnahmen behalten. Eine besondere Ausbildung oder ein „Rikscha-Schein“ ist nicht erforderlich, da die Dreiräder vorwiegend auf dem Radweg fahren.
Den verläßt das Gefährt nun und biegt (leider schon) wieder auf den Hof ein. Die entzückten PassagierInnen steigen auf die Erde herab – und fühlen sich dort plötzlich tonnenschwer und langsam wie eine Schnecke.
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