Der Konflikt wird abgeschoben

■ Feige kneift die rot-grüne Regierung vor dem Fall Öcalan

Das war ein schwarzer Tag für das Rechtsempfinden. Die Erklärung von Bundeskanzler Schröder, Deutschland werde „zum Schutz des Rechtsfriedens“ definitiv nicht die Auslieferung von PKK-Chef Abdullah Öcalan aus Italien beantragen, ist peinlich. Deutschland, eines der stabilsten Länder der Welt, sieht sich angesichts einer vermuteten Gewaltandrohung nicht in der Lage, einen Prozeß gegen Öcalan durchzuführen? Noch selten hat ein Rechtsstaat im modernen Westeuropa so vor der Gewalt kapituliert.

Aufrechte Strafverfolger sind offenbar doch eher etwas für Fernsehserien als für rot-grüne Realpolitik. Wie haben wir die italienischen Richter und Staatsanwälte bewundert, die unter massivem Druck der Mafia und interessierten Teilen der Politik ihre Ermittlungen begannen, Filz aufdeckten und schließlich die Strukturen aushebelten! Hätten sie so gehandelt wie diese Bundesregierung im Fall Öcalan, wäre es dazu nie gekommen.

Es ist auch ein entmutigendes Zeichen an Länder mit weniger ausgeprägtem demokratischem und rechtsstaatlichem Profil, dafür aber viel mehr internem Konfliktstoff. Wenn schon ein Land wie Deutschland vor Öcalan kneift, wie sollten dann etwa die lateinamerikanischen Länder den Mut fassen, sich ihrer eigenen Verbrecher anzunehmen, wo diese tatsächlich mit Staatsstreich drohen können?

Möglich, daß die Mehrheit der Bundesbürger froh ist, Öcalan nicht in Deutschland zu haben. Dahinter aber steht die Vorstellung, man werde da nur in einen Konflikt hineingezogen, mit dem man eigentlich nichts zu tun habe. Irrtum. Die PKK ist erst durch die türkische Politik zu dem geworden, was sie ist. Deutschland trägt daran eine Mitverantwortung. Immer wieder hat die türkische Armee in Kurdistan deutsche Waffen eingesetzt, und niemals hat eine deutsche Regierung die Unterdrückung der Kurden und die Brutalität, mit der die Türkei Krieg führte, zum Knackpunkt der Beziehungen zum Nato-Partner Türkei gemacht.

Und schließlich: Gerade weil in Deutschland so viele Kurden und Türken leben, wäre ein Prozeß gegen Öcalan hier richtig gewesen. Die Haltung, die Schröder an den Tag legt, zeigt, daß auch diese Regierung die kurdischen und türkischen Migranten nicht als Teil unserer Gesellschaft begreift. Ähnlich wie im Fall „Mehmet“ meint man, den Konflikt einfach abschieben zu können. Bernd Pickert