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Walser an der Uni!

Der als „geistiger Brandstifter“ gebrandmarkte Autor mußte sich an der Uni Duisburg allerhand gefallen lassen: eine ermüdende „Disputatio“ und scharfe Kritik  ■ Von Christof Hamann

Als wäre nichts geschehen. Das Publikum im überfüllten Auditorium maximum mußte einem Jazzstück nach dem anderen lauschen. Frisch Promovierte dackelten über die Bühne. Der Universitätsrektor grüßte und dankte in alle Himmelsrichtungen. Die Zuhörer klatschten – weil sie genervt waren. Meine Nachbarin meinte, „noch ein paar Takte Jazz, und ich flüchte in die Kneipe“. Denn nicht wegen des akademischen Rituals waren sie gekommen, sondern um den deutschen Schriftsteller zu hören, der in den Verdacht der „geistigen Brandstiftung“ (Ignaz Bubis) geraten ist: Martin Walser an der Uni!

Nach über einer Stunde durfte Walser ans Rednerpult. Mag er sonst für seine Rhetorik, für sein gewandtes öffentliches Auftreten bekannt sein, an diesem Abend war er vor allem eins: gekränkt und wütend. Das Gesicht gerötet. Sein Rednerpult gar nicht mehr unverkrampft festhaltend.

Walsers Wut hatte nicht allein mit Bubis zu tun. Sie richtete sich auch gegen die Duisburger Universität. Die hatte ihn Anfang des Jahres für ihre 46. Universitätstage eingeladen. Nach seiner Frankfurter Rede forderte das StudentInnenparlament aber, den Schriftsteller wieder auszuladen. Zwei Professoren, der Germanist Klaus- Michael Bogdal und der Judaist Michael Brocke, setzten noch eins drauf. In einem offenen Brief entsetzten sie sich darüber, daß Walser die „erinnernde Auseinandersetzung mit der Shoa“ polemisch zurückweise. Die Organisatoren der Uni-Tage konnte das nicht aus der Ruhe bringen – sie empfahlen den Walser-kritischen Profs den Gang zum Therapeuten.

Walser selbst ließ an den beiden Duisburger Professoren kein gutes Haar mehr. Wenn wenigstens Studenten den Brief geschrieben hätten, wetterte er, die seien noch jung, die könnten noch lernen. Wie aber ist es um den gut Siebzigjährigen und seine Lernfähigkeit bestellt? Sein Vortrag enthielt viele Rechtfertigungen und Vorwürfe – aber wenig Neues und schon gar keine Korrekturen. Er verteidigte, den Begriff „Schande“ für den Holocaust benutzt zu haben. Der Autor des aktuellen Buches über das Erinnern, des „Springenden Brunnens“, beharrte darauf, daß zwischen persönlicher und öffentlicher Erinnerung unterschieden werden muß. Nie sei es ihm darum gegangen, sich ins Schneckenhaus der Privatheit zurückzuziehen. Doch jede Auseinandersetzung mit dem Holocaust sei zunächst und vor allem an das Gewissen jedes einzelnen geknüpft, so Walser eindringlich. Das Publikum war berührt. Applaus. Buhrufe mischten sich dazwischen. „Das ist ja Zynismus!“ rief eine Studentin.

Der Rede folgte eine akademische Besonderheit. Die Veranstalter der Uni-Tage hatten die Diskussion um das Thema der Deutschen als „Disputatio“ angesetzt. Disputatio! Wer denkt da nicht an Doktorverteidigung, an Reglement und Langeweile. Und es kam, wie es kommen mußte. Die Disputierenden mußten sich der Reihe nach am Mikrophon anstellen, artig Namen und Beruf nennen. Erst dann konnten sie ihre Meinung zum besten geben.

Ein Linguistikprof darf die Redner sortieren

Eine deutsch-türkische Studentin fragte nach, was Walser denn unter „deutsch“ verstehe. Ob sich hinter diesem Begriff nicht auch Vorstellungen einer „reinen“ Nation verbergen würden. Der gescholtene Professor Brocke stellte Walsers in Frankfurt vorgetragene Medienkritik in Frage. Der Schiftsteller arbeite sich an einem Pappgegner ab, wenn er von einer „Dauerpräsentation“ des Holocaust in den Medien spreche – davon könne aber nicht die Rede sein, insistierte Brocke. Der gewichtigste Einwand gegen die Rede des Schriftstellers kam bezeichnenderweise von einem Gast („Ich bin kein Student, ich bin vom Niederhein“). Walser sei weder Faschist noch stehe er der Neuen Rechten nah, sagte der Mann. Aber er gebrauche Begriffe wie „Schande“, die in neurechten Kontexten sehr bewußt verwendet würden. Wenn Walser dafür vereinnahmt werde, dann sei es ihm selber anzulasten – schließlich sei er Schriftsteller.

Peinlichkeiten konnten nicht ausbleiben. Der Mann vom RCDS, Franz Willi Kellermann, lobhudelte, was das Zeug hielt. Überboten wurde er nur von einem Romanistikdozenten aus Bochum. Der eilte nach allerlei Geschwätz auf Walser zu, auf daß dieser ihm seinen aktuellen Bestseller signiere. Die andere, die über Walser empörte Seite, machte es kaum besser. Ein Studentenvertreter zählte in einem fort die Opfer des Krieges auf, um schließlich beim Unvermeidlichen zu landen: Wer nicht unserer Meinung ist, der ist Faschist.

Über allen Redebeiträgen wachte sorgfältig ein Professor der Linguistik. Der so ausgewiesene Meister der deutschen Sprache hatte das Amt übernommen, die Diskutanten am Pult zu sortieren. Er beherrschte es so gut, daß er sich am Ende mit gleichem Wohlwollen bei Walser-Gegnern wie -Freunden bedanken konnte.

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