■ Mit Insolvenzen auf du und du: Arme Banken
Hamburg (taz) – Schwer getroffen von dem Verlust des Gläubigerprivilegs im neuen Insolvenzrecht wird die Kreditwirtschaft. Bislang ließ sie sich üblicherweise ihre Kredite vorrangig absichern. In einem Konkursverfahren wurden dann zunächst die Kredite zurückgezahlt, lange bevor Handwerkerrechnungen, Steuern oder Löhne beglichen wurden. Die Kreditwirtschaft, eigentlicher Nutznießer des alten Rechts, konnte sich daher beispielsweise nach der fluchtartigen Pleite des Immobiliengiganten Schneider an dessen Grundstücken und Prachthäusern schadlos halten, da sie sich die „Absonderung“ aus der Konkursmasse gesichert hatten, während Maurer und Installateure auf ihren Forderungen weitgehend sitzenblieben (bis sich die Deutsche Bank kulant zeigte). Die nachrangigen Gläubiger kommen bislang, wenn überhaupt, erst zum Zug, nachdem auch noch die Kosten des Pleiteverfahrens bei Konkursverwaltern, Gerichten und Rechtsanwälten beglichen worden waren. Fehlte es gar an der dafür notwendigen Finanzmasse, kam es erst gar nicht zu einem ordentlichen Verfahren. Drei Viertel aller Konkursanträge wurden bislang „mangels Masse“ abgewiesen, erläuterte Eckhart Pick (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium. Das soll in Zukunft weniger oft passieren.
Allerdings könnte der Wegfall des faktischen Bankenprivilegs diese zu einer ängstlicheren Kreditvergabe verleiten. Jedenfalls müssen so einige Signale aus der Kreditwirtschaft gedeutet werden. Andererseits ist es in den USA nicht ungewöhnlich, daß Pleitiers zwei oder drei weitere Kredite bekommen. Berappelt sich der Kreditnehmer später wieder, kommen dann die Banken auf ihre Altforderungen zurück.
Neu ist auch, daß bereits die „drohende“ Zahlungsunfähigkeit für einen Konkursantrag – und damit einem Rettungsversuch über das Insolvenzverfahren – reicht. Bislang galten als Konkursgründe lediglich die tatsächliche Zahlungsunfähigkeit oder die noch hoffnungslosere Überschuldung. Fachleute erwarten hierdurch allerdings keine Antragsflut. Aber das neue Recht zwingt die Geschäftsleute und Manager zu einer vorausschauenden und dokumentierten Finanzplanung – hierzulande immer noch keine Selbstverständlichkeit. Davon versprechen sich Ökonomen eine wirksamere Krisenvorsorge. Trotzdem wird es auch im modernisierten Kapitalismus weiterhin Pleiten geben. Hermannus Pfeiffer
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen