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Zinsen kosten Mandat

■ In Hessen nimmt der grüne Abgeordnete Weist wegen Steuerhinterziehung seinen Hut

Wiesbaden (taz) – Gestern durfte er noch einmal an einer Fraktionssitzung teilnehmen – danach mußte er seine Sachen packen. Reinhold Weist, neun Jahre Abgeordneter der Bündnisgrünen im hessischen Landtag, legte als enttarnter Steuerhinterzieher sein Mandat nieder. Der grüne Chefankläger aus Kassel hatte noch vor einem Jahr den CDU-Landtagsabgeordneten Wolfgang Stammler der Heuchelei bezichtigt und ihm vorgeworfen, den „anrüchigen Weg des Steuersparens“ zu gehen, weil er sich als Steuerhinterzieher selbst angezeigt hatte. Nun wurde der 44jährige Weist des gleichen Vergehens überführt.

Weist kaufte sich 1992 für 45.000 Mark in einen Geldmarktfonds in Luxemburg ein und unterließ es in den Jahren 1993 und 1994, die daraus resultierenden Zinserträge zu versteuern. Peinlich für Weist; peinlich für die Bündnisgrünen, die sich in Hessen in Wahlkampfauseinandersetzungen vor allem mit der CDU befinden. Die Union griff das Wahlkampfgeschenk dankbar auf und spielte süffisant auf die Kritik von Weist an Stammler an: „Abgrundtiefe Heuchelei“.

Weist war Anfang der achtziger Jahre der Finanzexperte der Fraktion und später Parlamentarischer Geschäftsführer. Der Karriereknick für den Mann, der gern in Cowboystiefeln und viel zu kleinen Pullovern öffentlich auftrat, kam im Januar dieses Jahres. Die Fraktion sowie die MinisterInnen Rupert von Plottnitz und Margarete Nimsch verweigerten ihm knapp die Wiederwahl.

In der Fraktion glauben nicht wenige, daß Weist danach Margarete Nimsch wegen des im CDU- Jargon als „Cousinenaffären“ bezeichneten Skandals anonym anschwärzte, um sich an ihr zu rächen. Das Votum von Nimsch war bei der Abstimmung gegen Weist entscheidend. Böse Kabale also und nur wenig Liebe bei den Grünen. Die Nachrückerin für Weist kommt auch aus Nordhessen und heißt Sigrit Erfurt. Klaus-Peter Klingelschmitt

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