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Kein Schutz vor Rufmord?

■ Fachbereichsrat diskutiert über den Fall des Spanisch-Lehrers, dem sexuelle Diskriminierung vorgeworfen wurde / Neue Formulierungsvorschläge für Anti-Diskriminierungs-Richtlinie

Der Name des Lehrers fiel nicht ein einziges Mal. Statt dessen diskutierte der Fachbereichsrat für Sprach- und Literaturwissenschaften an der Bremer Univisität gestern über die „Richtlinie gegen sexuelle Diskriminierung“ und über „den Fall“. Der Fall hatte vor wenigen Wochen für Schlagzeilen gesorgt (siehe taz vom 3.11.). Nachdem der Spanisch-Lehrer K. mit den StudentInnen anhand von Textpassagen aus der Weltliteratur und Filmszenen aus Klassikern Grammatik gepaukt hatte, beschwerten sich acht Studentinnen. Sie fühlten sich sexuell diskriminiert. Die „Arbeitsstelle gegen sexuelle Diskriminierung und Gewalt am Ausbildungs- und Arbeitsplatz“ (ADE) an der Uni führte die Ermittlungen. Der Spanisch-Lehrer wurde zum Vorgesetzen zitiert. Was ihm konkret vorgeworfen wurde, erfuhr er zunächst nicht. „Es stand nur der nebulöse Vorwurf der sexuellen Diskriminierung im Raum, gegen den ich mich verteidigen sollte“, erinnert sich der Dozent. 80 StudentInnen unterschrieben binnen zwei Tagen eine Solidaritätserklärung für K. Genützt hat es ihm nichts. Obwohl der Fachbereich bereits beschlossen hatte, den Lehrer, der seit fünf Jahren an der Uni arbeitete, für ein weiteres Semester zu beschäftigen, wurde der Vertrag nicht verlängert.

Es sei eine „krasse Lücke“ der Richtlinie, daß das „Gefühl“ einer Frau, belästigt worden zu sein, ausreiche, ohne daß die Tatsachen geprüft würden, kritisiert Professor Dr. Klaus Zimmermann. „Eine Prüfung hätte uns im vorliegenden Fall einiges erspart.“ „Das ist nicht unsere Aufgabe“, gibt Sabine Klein-Schoneefeld von der ADE zurück. „Wir sind die Beschwerdestelle. Da kommt das Gefühl rein.“ Die Prüfung sei Aufgabe des Dienstherrn. „Prüfung = Dienstherr- D.Vorgesetzter“ (sic!), schreibt sie an die Tafel. Doch auch der Dienstherr sei nicht verpflichtet, Kripo und Staatsanwaltschaft zu ersetzen. Sie habe die Gesetze nicht gemacht, betont Klein-Schoneefeld. „Juristisch gesehen“, sei es aber so, daß selbst das Bundesarbeitsgericht eine „Verdachtskündigung“ kenne. Die Wendung „juristisch gesehen“, verwendet Klein-Schoneefeld oft.

Die „Freiheit der Forschung und Lehre“ sei „ein hohes Gut“, sagt Helga Bories-Sawala. Das subjektive Empfinden einer Person könne „kein Maßstab sein“. „Sonst bestimmen demnächst die Ayatollahs welche Unterrichtsmaterialien wir verwenden. Ober wir müssen zartbesaiteten Seelen empfehlen, unsere Veranstaltungen nicht zu besuchen.“ Juristisch gesehen, gelte die Freiheit der Forschung ihres Wissens nicht für die abhängige Lehre, erwidert Schoneefeld.

Die Frage, wie das Beschwerdeverfahren künftig aussehen soll, erregt die Gemüter. Daß „in dem Fall, den wir alle im Hinterkopf haben, Roß und Reiter“ nicht genannt wurden, könne nicht angehen, sagt Zimmermann. Wieder bemüht Klein-Schoneefeld die Juristerei. Sie wird laut. Eine anonyme Beschwerde sei noch kein förmliches Verfahren. Bei Zeugenvernehmungen würde Betroffenen auch nicht gesagt, worum es gehe. Erst wenn man offiziell als beschuldigt gelte, würde man mit den Vorwürfen konfrontiert. Juristen hätten ja viele Möglichkeiten, Dinge zu interpretieren. „Aber das kann ich juristisch nicht nachvollziehen“, gibt Zimmermann zurück. Ohne den Vorwurf zu kennen, müsste man sich als Beschuldigter damit verteidigen, „was da gewesen sein könnte.“ Das Wort „totalitär“ fällt.

Klein-Schoneefeld läßt sich nicht beirren. „Solange ich nicht offiziell beschuldigt bin, habe ich kein Recht zu erfahren, worum es geht“, sagt sie. Und: „Unschuldig verfolgt, heißt auch, ich lasse das mit mir machen.“ Und: „Ich kann mich vor Rufmord und auch vor Erdbeben nicht schützen.“ „Eine Uni darf Rufmord aber auch nicht befördern“, ruft jemand.

Nach zwei Stunden einigt sich der Fachbereichsrat auf neue Formulierungsvorschläge für die Richtlinie. „Eine Rechtsmittelbelehrung hat stattzufinden“, soll es künftig heißen. „Eine Zensur von Forschungs- und Lehrgegenständen findet nicht statt. Materialien müssen methodisch und didaktisch begründbar sein.“ Dozent K. zur taz: „Das sind doch Selbstverständlichkeiten.“ Kerstin Schneider

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