: Die Alternative heißt Erinnern
Der Bundeskulturbeauftragte Naumann hat sein Alternativkonzept zum Holocaust-Mahnmal vorgestellt. Mahnmal-Initiatorin Rosh sieht darin das Aus für ihr Projekt ■ Von Markus Franz
Bonn (taz) – Der Kulturbeauftragte der Bundesregierung, Michael Naumann (SPD), hat gestern in Bonn erste Grundzüge eines Alternativkonzepts für die geplante Holocaust-Gedenkstätte in Berlin vorgelegt. Naumann favorisiert die Errichtung eines Hauses des Erinnerns, mit ständiger Ausstellung, Bibliothek und Dokumentationszentrum sowie einer Forschungsstätte über den Völkermord.
Für die Initiatorin des Mahnmals, Lea Rosh, laufen diese Pläne auf ein „Aus“ für das Denkmalprojekt hinaus. „Die wollen das Denkmal loswerden“, sagte sie gestern. Rosh forderte Bundeskanzler Gerhard Schröder auf, das „klipp und klar“ zu sagen. Naumann versicherte, er habe die volle Rückendeckung des Kanzlers.
Naumann bedauerte, daß seine Pläne durch eine Indiskretion schon am Montag vorzeitig bekanntgeworden seien (die taz berichtete). Er könne nicht ausschließen, daß sein Konzept dadurch verhindert werden sollte. Der Bundestag solle nun die Diskussion um das Mahnmal aufgreifen. Die Koordination darüber liege bei Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD).
Naumanns Alternativkonzept sieht einen Bau vor, der sich „architektonisch signifikant“ von den umliegenden Gebäuden unterscheide und in seinem Gestus klarmache: Dies ist kein Bürogebäude. Das Konzept besteht aus drei Ebenen. Erstens einem Ausstellungsraum, der ähnlich wie eine Gedenkstätte an den Holocaust erinnert. Dabei soll eine feste Ausstellung durch wechselnde Nebenausstellungen ergänzt werden. Zweitens aus einer Holocaust-Bibliothek, in der eine Sammlung von Büchern öffentlich zugänglich sein soll. Dabei soll auch mit dem Leo- Baeck-Institut zusammengearbeitet werden.
Dieses renommierte Forschungsprojekt zur Geschichte der Juden ist bisher in Jerusalem, London und New York ansässig. Naumann sagte, die „Rückkehr des Instituts ist von großem symbolischen Wert“. Die Leitung des Instituts stehe dem Vorhaben mit Wohlwollen gegenüber. Eine Sprecherin sagte, es handele sich um eine große Geste der Versöhnung. Leo Baeck, der aus Deutschland Vertriebene, kehre auf diese Weise nach Deutschland zurück.
Als drittes Element seines Konzepts bezeichnete Naumann die Errichtung eines Instituts zur Erforschung des Genozids sowie eines Genozid-Watch-Instituts. In jüngster Zeit habe es zahlreiche Genozide gegeben, die sich angekündigt hätten und somit verhinderbar gewesen wären. Das geplante Institut, so Naumann, würde zu „praktischer, politischer Mobilisierung von Rettungsmaßnahmen dienen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen